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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabita Lee Spencer
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brennen, nur durch die kleinen Fensterchen unterhalb der Decke dringt fahles Licht hinein. Langsam gehe ich nun auf die Türe zu, hinter der sich das Arbeitszimmer der Oberin befindet. Die Bilder an den Wänden zeigen immer dasselbe Motiv in verschiedenen Abwandlungen. Lilith. Die Nächtliche. Ihre Warnung kommt mir in den Sinn, doch ich wische diesen Gedanken fort. Am letzten Bild bleibt mein Blick hängen. Es zeigt Lilith, wie sie Eva den Apfel der Erkenntnis reicht. Oder ist es nur ihre Hand? Will sie Eva die Hand reichen?
    Ich schüttle den Kopf und wende mich zur Türe, gerade will ich anklopfen, da höre ich die Stimme der Oberin. Leise und entschlossen.
    Vorsichtig trete ich näher und lege mein Ohr an das Holz.
    »Sie haben für sich selbst entschieden.«
    Ich halte die Luft an, um kein Geräusch zu machen. Die Pause, die nun eintritt, scheint ewig zu dauern.
    »Wir haben ihnen alle Möglichkeiten offen gehalten. Es ist keine Selbstverständlichkeit, in den Orden aufgenommen zu werden, doch alle an der Abstimmung beteiligten Hüterinnen haben sich unvoreingenommen und ihnen zugewandt gezeigt. Sie aber haben uns abgewiesen. Nicht wir sie.«
    Mein Mut sinkt. Leise atme ich durch den Mund ein und aus. Mit wem spricht sie?
    »Auch über diese Alternative habe ich mich mit den Ältesten beraten. Die Enttäuschung unter uns ist groß, doch das sollte nicht im Vordergrund stehen. Wir dürfen uns nicht von unseren Gefühlen leiten lassen, obwohl die Versuchung dazu groß ist. Wir müssen ohne Groll unsere nächsten Schritte planen, so wie wir es immer getan haben.«
    Eine zweite Stimme mischt sich ein, doch diese ist so leise, dass ich sie nicht verstehen kann. Weder, was gesagt wird, noch, wer spricht. Leise Hoffnung wird in mir wach. Was will die Oberin damit sagen, dass sie trotz der großen Enttäuschung hinter uns stehen? Ich presse mein Ohr noch fester gegen das Holz, trotzdem verstehe ich nichts.
    »Ich erkenne eure Einwände an, auch darüber habe ich lange wach gelegen«, höre ich nun wieder die Stimme der Oberin. »Ich versichere, dass nichts vorschnell entschieden wurde. Doch die Zeit ist nahe. Unsere Berechnungen sind beunruhigender denn je. Wir können uns nicht auf Glück und Schicksal verlassen. Die Zeiten sind zu unsicher. Der Druck zu groß.«
    Wieder spricht eine andere Person. Das Wort Semuliki dringt an mein Ohr, und obwohl ich nicht sofort vor Augen habe, was damit gemeint ist, blitzt die Weltkarte in mir auf, die Karte, die auf dem Schreibtisch der Oberin liegt. Semuliki 1992.
    »Ja, Sie haben mich richtig verstanden. Wir werden verfahren wie in Semuliki. Eine andere Lösung gibt es nicht. Es schmerzt mich selbst, aus vielerlei Gründen. Die letzten verbleibenden Tore werden den Druck ausgleichen müssen, wenn Whistling Wing verödet.«
    Mein Herz setzt mehrere Schläge aus. Maja und Kat in Semuliki. Sie haben den Tod gesehen. Ich will nicht mehr hören, was die Oberin sagt, denn ich weiß es bereits und trotzdem kann ich mich nicht vom Holz der Türe lösen. Wie versteinert harre ich aus.
    »Es tut mir auch wegen der Mädchen leid«, sagt sie und in ihrer Stimme schwingt kein Hauch eines Gefühls, »sie ahnen nicht, auf welchem Weg sie sich befinden. Das ist der Unterschied zu Semuliki. Die damaligen Hüterinnen gehörten dem Orden an, sie waren sich darüber bewusst, dass wir ihr Leben nicht schonen würden, wären sie zu schwach, um sich gegen Azrael zu stellen. Sie bereiteten sich vor und gaben ihr Leben ohne Klagen. Noch ist dies die einzige Möglichkeit. Azrael wird sich die Seele der jüngeren Hüterin nehmen. Ist diese tot, wird er warten bis zum nächsten Zyklus. Sind beide tot, ist dieses Tor für ihn verloren. Ich werde Miss Margaret Anderson und Katherine Okonye mit diesem Auftrag betrauen. Sie sind über alles im Bilde und sie kennen die Schwestern und deren Schwächen…«
    Ich warte nicht ab, bis die Oberin ihren Satz beendet, sondern löse mich endlich aus meiner Erstarrung. Ich laufe los, der Teppich schluckt meine Schritte, krachend fällt die Tür hinter mir ins Schloss.
    Ich hole Mum, Indie und Emma kurz vor dem Eingangstor zum Kloster ein. Emma erscheint erstaunlich aufrecht. Sie stützt sich mit der linken Seite auf Indie, doch ihre Schritte sind kräftiger und ihr Gesicht wirkt nun frischer und nicht mehr hohlwangig. Ich nehme Indie unsere Reisetasche aus der Hand. Möwen zanken sich vor uns um einen Kanten Brot und verschwinden dann kreischend über die

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