Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Dawna, dann mich.
Wir geloben Gehorsamkeit, denke ich mir, während ich dem Blick der Oberin standhalte. Gehorsamkeit dem Orden, der alles seinen Regeln opfert. Der auch Victoria Spencers Plan und die Prophezeiung der eigenen Ordensgründerin diesen Regeln opfert. Sind das unsere Verbündeten?
Dawna ergreift meine Hand und drückt sie fest. Der Gesang verstummt, es ist so leise in der Kapelle, als wären wir alleine hier.
»Besinnt euch, ob ihr bereit seid, zum Wohle aller in den Orden St. Lucille de Fleurs einzutreten«, sagt die Oberin.
Nein, denke ich mir. Mir ist plötzlich klar, dass Emma recht hat, dass es grundfalsch ist, unter diesen Bedingungen in den Orden einzutreten.
»Seid ihr bereit, mit uns Seite an Seite zu kämpfen? Um das Böse für immer zu besiegen?«, fragt Dawna und ihre Stimme klingt hell und klar durch das Kirchenschiff.
Für einen Augenblick ist es totenstill, dann erfüllt ein aufgeregtes Raunen den Raum.
»Der Zettel. Die Antwort steht auf dem Zettel …«, wispert Emilia Ponti hinter mir verzweifelt.
Dawna dreht sich um und lässt ihren Blick über die versammelten Hüterinnen gleiten. »Nein, diese Antwort steht auf keinem Blatt Papier«, sagt sie mit stolz erhobenem Blick. »Ich weiß, wir sollten ein Teil dieses Ordens sein. Mein Herz wünscht sich, zu euch zu gehören. Ich wünschte, es wäre so einfach, dass ich an dieser Stelle Gehorsamkeit gegenüber meinem Orden geloben könnte, bis zum Ende meiner Tage. Meines Ordens. Ja. Denn ich fühle mich zu euch gehörig, noch bevor ihr beschlossen habt, uns aufzunehmen.«
Das Gewisper ist verstummt.
»Aber es ist nicht so einfach.« Ihre Stimme wird leiser, jetzt da es wieder so still ist. »Es ist alles so eingetreten, wie Lucille St. Fleurs es prophezeit hat. Und ich bin mir sicher, dass allen hier Anwesenden klar sein muss, dass wir, Dawna und Indiana Spencer, dazu geboren sind, gegen Azrael anzutreten. Jeder von euch weiß, dass alles dagegen spricht, es zu wagen. Aber ich weiß, dass wir es schaffen können. Mit der gesammelten Macht des Ordens der St. Lucille de Fleurs.«
Ihre letzten Worte hallen in der Kapelle nach.
»Ich kann keine Gehorsamkeit geloben, solange dies bedeutet, dass wir nicht an Victorias und Ernestines Plan festhalten.«
12
Dawna
M ein Herz schlägt hart und schnell in meiner Brust. Ich höre Mums verzweifelten Aufschrei und das anschwellende Raunen der Hüterinnen. Indie gleitet der Zettel mit unseren Antworten aus den Fingern, er flattert zu meinen Füßen auf den Boden. Einige Hüterinnen stehen wortlos auf und verlassen die Kapelle, in der allgemeinen Unruhe sehe ich Jools und Felicia wie erstarrt dastehen, in ihren Mienen liegt Unglauben. Felicia flüstert Jools etwas zu, aber Jools antwortet nicht. Ihre Augen sind unverwandt auf uns gerichtet, als würde das, was ich eben gesagt habe, nur sehr langsam zu ihr durchdringen. Als sie begreift, senkt sie den Kopf, ihr schwarzes Haar verhüllt ihr Gesicht. Kat und Miss Anderson stehen von ihren Stühlen auf, Miss Anderson strauchelt, als sie den Gang hinuntergeht, und greift nach Kats Arm, Kat drückt die schwere Kirchentüre auf und ein heftiger Windstoß lässt fast alle Kerzen gleichzeitig erlöschen.
»Nun. So ist es entschieden«, sagt die Oberin hinter uns.
Wir drehen uns zu ihr.
»Ich wusste es von Anfang an. Schon als ich euch zum ersten Mal gesehen hab. Abbilder eurer Großmutter und deren Schwester Emma.«
Indie nickt.
»Geht jetzt. Der Orden ist kein Ort der Zuflucht mehr für euch.« Die Stimme der Oberin ist hart. »Ihr habt uns getäuscht und wendet euch nun gegen uns. Erwartet keine Hilfe von uns. Geht.«
Noch immer schlägt mein Herz bis zum Hals. Schwindel breitet sich in meinem Körper aus. Wir widersprechen nicht. Der Zettel knistert unter meinen Füßen, als wir uns umdrehen und gehen.
In unserem Zimmer sitzen wir uns schweigend gegenüber. Der Raum ist kahl mit Blick aufs Meer hinaus. Wir haben unsere Kleider abgelegt. Indie trägt wieder ihre Jeans und ihren Hoodie, mit dem sie hier angekommen ist. Mich fröstelt, ich bin unfähig, mir etwas überzuziehen, mit der Hand streiche ich über den glatten Stoff des Umhanges, den ich nun für immer abgelegt habe.
»Scheiße«, flüstere ich, »was habe ich mir dabei gedacht?«
Indie sagt nichts. Sie steht auf und beginnt, unsere Sachen in die Reisetasche zu stopfen. Sie sucht eine Jeans für mich heraus, ein weißes Top und ihren Lieblings-Betty-Ford-Pulli.
»Niemand steht nun
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