Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
der Hüterin, die über das Kind wachte, und als sie eilig durch das Fenster verschwand, blickte der weiße Wolf zu ihr hinauf, seine goldenen Augen bohrten sich in ihren Körper. Hinter ihr schlug das Fenster zu und sie wusste, dass es für lange Zeit die letzte Gelegenheit gewesen war. Der Zorn darüber fuhr in ihre Glieder. Warum hatte Samael alles verdorben? Warum konnte er es schaffen, sie an ihn zu binden?
Jetzt stürzt sie sich vom Turm in den Wind, sie lässt sich treiben, bis sie das Auto unter sich entdeckt, es schlängelt sich die engen Straßen entlang und ihr Schatten liegt auf seinem Dach wie eine Drohung.
Sie hätte es damals schon tun sollen. Mit dem Tod des Mädchens wäre alles zerstört gewesen. Kein Mädchen, kein Tor, kein Kampf zwischen Gut und Böse.
13
Indie
D ie Einzige, die immer entspannter wird, je mehr wir uns Whistling Wing nähern, ist die Comtesse. Ihre erste Handlung auf heimischen Boden war, ihre Winchester aus dem Schließfach am Flughafen zu holen, sie hatte sie sogar bei der Autofahrt zwischen sich und dem Steuerrad und sah starr nach vorne in die sommerliche Landschaft, die uns mit ihren bekannten Düften begrüßte. Keiner spricht, während wir auf New Corbie zufahren. Natürlich ist es wie Nach-Hause-Kommen. Aber gleichzeitig zählt eine fiese Stimme in meinem Kopf rückwärts.
35 Tage.
Dann hast du Geburtstag.
Sterben. Oder Leben.
Und seltsamerweise geistern bei diesen Gedanken immer die letzten Worte von Marie Esperance durch meinen Kopf. »Begegne allem mit Liebe im Herzen.«
Jools hatte für einen Moment so ausgesehen, als wollte sie mir die Hand schütteln, aber dann hatte sie doch nur genickt und zusammen mit Felicia die Alte weggeführt.
Draußen sieht es trostlos aus, obwohl die Sonne scheint. Hier ist es heiß und windstill, mir gehen das Geräusch der Brandung ab und der ständige Wind, der an den Kleidern reißt. Die Häuser wirken nicht einladend, sondern grau und heruntergekommen. Und die alten Windräder aus Holz stehen bewegungslos in der flirrenden Hitze.
Mum sitzt neben mir und hält ihre Hände vor sich. Dabei lässt sie die Spitzen der Daumen sich mit den Spitzen der Zeigefinger berühren und singt fast unhörbar etwas, was sich wie »Lam« anhört. Verrückt, dass mich das beruhigt, eine Geste, die sie zur Stärkung ihres Wurzelchakras schon seit Jahren gemacht hat und die von mir immer mit Augenrollen begleitet wurde.
New Corbie taucht vor uns auf und ich rutsche auf meinem Sitz unruhig hin und her. Ich stoße Mum meinen Ellbogen in die Seite. »Alles okay, Mum?«, sage ich.
»Mein Wurzelchakra ist unteraktiv«, sagt Mum unglücklich. »Ich fühle mich weder geerdet, stabil noch sicher. Ich hoffe, Sidney hat dazu eine Idee.«
Ich dachte, du bist mit deinen Chakren durch, will ich sagen, starre aber lieber auf Mortis Tanke, die jetzt vor uns auftaucht.
»Sam Rosells Laden«, flüstert Emma, bevor man diesen sieht. »Der alte Bahnhof. Das Wegekreuz. Die Gärtnerei.«
Es ist das Erste, was sie seit der letzten Pinkelpause gesagt hat. Sie war immer stiller geworden, auch wir hatten nicht viel gesagt, aber Emma war verstummt, in den Anblick der Landschaft vertieft. Keiner von uns wagt es jetzt, darauf etwas zu erwidern. Keiner von uns ist nach der langen Reise in der Lage, angemessen zu reagieren.
»Murphy’s Law«, wispert sie, als wir an der Tanke vorbei sind.
Dann taucht Sam Rosells Laden auf, der nicht mehr Sam gehört, sondern Diego. Direkt gegenüber ist das Murphy’s Law, dort treffen sich die Wölfe. Eigentlich kenne ich niemanden, der sonst noch in diese heruntergekommene Kneipe geht. Mein Kopf beginnt beim Anblick von Murphy’s Law zu schmerzen. Davor stehen etwa zwanzig schwarze Motorräder, ansonsten ist die Straße ausgestorben.
»Was ist mit den Wölfen?«, fragt Dawna tonlos, sie schiebt die Sonnenbrille vor die Augen, und während wir vorbeifahren, dreht sie sich nicht um.
Zwanzig Biker, denke ich mir nur.
»Ihr glaubt doch wohl nicht, dass sie tot sind?«, fragt Mum mit einem nervösen Unterton und starrt noch immer auf ihre Hände. »Oder glaubt ihr … die Biker …«
»Ich glaube nicht, dass die Biker und die Wölfe gemeinsam ein Bierchen zischen«, sage ich.
»Wir müssen wissen, was in der Zwischenzeit passiert ist«, sagt Mum und ignoriert meinen Einwurf. »Vielleicht sollten wir Morti fragen.«
Die Comtesse schiebt Emma ihre Winchester auf den Schoß und legt aus vollem Tempo heraus einen Turn auf der
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