Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
riesiger dunkelbrauner Ledersessel und davor ein etwas kleinerer dunkelbrauner Ledersessel. Es sieht ein bisschen aus wie ein noch nicht eingerichtetes Chefbüro, auf dem Schreibtisch stehen nur drei Kaffeebecher von Starbucks und eine leere, zusammengeknüllte Bäckertüte.
Diego hat nicht zu viel versprochen, die Heizung funktioniert tatsächlich. Ich gehe in den Raum hinein, die Schritte werden als Echo von den Wänden zu mir zurückgeworfen – es hört sich an wie ein komplett leerer Raum. Die Erleichterung greift fast körperlich nach mir oder ist es die warme Luft, die mich sofort träge macht? Ich fühle mich plötzlich zittrig und schwach.
»Hey«, sagt Diego sanft, der meinen Stimmungsumschwung gemerkt hat. Was ist los mit mir? Genug vom Kämpfen? Genug vom Starksein? Mit gerunzelter Stirn gegen die Tränen ankämpfend, drehe ich mich zu ihm um. Diego zieht mich in seine starke, warme Umarmung und ich drücke meine Nase an sein helles Baumwollhemd. »Indie.«
Ich fange zu heulen an, schniefe an seiner Brust, als hätte ich nur darauf gewartet, endlich losweinen zu können. Die Geborgenheit, die mich umgibt, fühlt sich wie ein warmes, weiches Nest an. Sie lädt mich ein, mich fallen zu lassen, keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden, dass ich mich beherrschen muss, stark sein muss. Jetzt erst merke ich, wie sehr mir die Nähe von Dawna fehlt, ihre Stärke, ihr Pflichtbewusstsein, ihre Sorge um mich. Diego sagt nichts, hält mich einfach fest. Es ist das gleiche Gefühl wie früher, damals, als ich als kleines Mädchen den Wüstenhund umarmte, meine Nase in sein Fell vergrub und alle Sorgen und Nöte verblassten. Plötzlich wird mir klar, wie sehr ich es vermisse, jemanden an meiner Seite zu haben, jemanden, der rückhaltlos zu mir steht, bei mir ist. Er hat immer auf uns geachtet, unsere ganze Kindheit über war er an unserer Seite … so treu, so unauffällig, dass wir es gar nicht bemerkten. Nehmt den Wüstenhund mit, hatte Granny immer gesagt. Aber er wäre auch nicht abzuschütteln gewesen. Es war selbstverständlich. Dieser Gedanke bringt mich noch mehr zum Weinen.
Nach einer Weile schiebt er mich ein wenig von sich, gerade so weit, dass er in meine Augen sehen kann.
»Ihr seid groß geworden«, sagt er und sein Blick wird ernst.
»Nicht groß genug«, antworte ich mit einem grimmigen Unterton. Lass dich jetzt nicht hängen, Indie. Für einen kurzen Moment starre ich auf den nassen Fleck auf Diegos Hemd, dort, wo ich mein Gesicht hingedrückt habe. Mit einer ungeduldigen Bewegung wische ich mir die Tränen fort. Jetzt ist meine Chance, all das zu erfahren, was uns auf der Seele brennt. Ich forsche in seinem Gesicht nach Antworten. Wieso musste Granny sterben? Was hatte Granny vor? Wieso hat sie uns nichts vom Orden erzählt, von den anderen Hüterinnen? Warum hatte Shantani die Chance, uns zu finden …
»Eure Granny musste euch schützen«, sagt Diego. Seine Hände liegen jetzt locker auf meinen Schultern. Noch immer ist sein Blick prüfend, hin und wieder schweift seine Aufmerksamkeit für einen kleinen Moment zum Fenster. Immer wachsam, der Wüstenhund, hatte Granny zu sagen gepflegt. Immer mit einem Ohr wach. Immer mit einem Auge auf der Suche. Er ist der Beste. Er ist der Schnellste. Er ist der Stärkste. Er steht immer hinter uns. Und vor allen Dingen: Wenn es sein muss, stellt er sich immer vor uns. Ich muss hart gegen einen Kloß im Hals schlucken.
»Sie hat alles, was die Aufmerksamkeit von wem auch immer auf euch lenken könnte, unterlassen. Keiner wusste, wo ihr seid. Auch ich wusste es nicht. Sie hat ihre Gedanken verschlossen, so achtsam, wie es sonst keiner hätte machen können.« Er lächelte mir zu.
»Sie dachte, sie könnte dadurch verhindern, dass euch der Sucher findet.«
Aber er hat uns gefunden. In der Stunde ihres Todes konnte sie ihre Gedanken nicht mehr kontrollieren, sie wanderten zu uns und mit ihnen kam auch Shantani.
»Auch vor dir …«, flüstere ich.
»Auch vor mir«, sagt er ernst. »Meine Aufgabe war eine andere. Nichts tut mir mehr weh als der Gedanke daran, dass sie meinen Schutz gebraucht hätte, während ich das tat, was mir eure Granny aufgetragen hat.«
Du warst nicht da, wispert es in mir. Sie hat alle weggeschickt. Keiner war da. Sie war ganz alleine.
»Sie war ganz alleine«, stimmt er mir zu und der Ernst in seiner Stimme lässt wieder Tränen in meinen Augen zerfließen.
»Was hatte sie dir aufgetragen?«, will ich wissen. Was kann
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