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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabita Lee Spencer
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sind, hat sie den Wagen kaum noch verlassen. Natürlich liegt es auch an Chakal. Wenn er im Lager ist, spürt sie seine Feindseligkeit wie zähen Nebel über ihrem Bewusstsein liegen. Sie will nur noch aushalten. Nur noch wenige Tage, dann wird sie dem Lager für immer den Rücken kehren. Die eingeritzten Striche zählen jetzt schon zweiundvierzig Tage. Bald ist Wintersonnwende. Bald muss sie aufbrechen, wenn sie Whistling Wing rechtzeitig erreichen will.
    Seit dem Morgen schneit es. Ein feiner, eiskalter Schnee, der wie eine Wand zwischen den Wagen der Zigeuner hängt. Die Gesänge sind verstummt, selbst die Kinder hat der Winter schweigsam gemacht. Durch diesen Schnee sieht sie Elin auf den Wagen zukommen. Ihr hageres Gesicht ist wie immer verschlossen. Irgendetwas trägt sie über der Schulter, etwas, das sie nicht genau erkennen kann. Es scheint schwer zu sein, schwer und tot. Als Elin näher kommt, sieht sie, dass es der Hals und der Kopf eines Rehs sind, die da baumeln. Elin lässt es vor dem Wagen fallen und sie weicht ein kleines Stück vom Fenster weg. Sie sieht, wie Elin mit dem Blut, das aus den durchtrennten Gefäßen tropft, eine Spur um den Wagen zieht, und kann nur ahnen, was Elin damit bezweckt. Als Elin schließlich damit fertig ist, richtet sie sich auf und blickt durch das Fenster zu ihr hinein. Ihre Augen sind hart und kalt und ihre Hand ist bis zum Ärmel ihrer Jacke rot vor Blut. Und jetzt weiß sie, was Elin getan hat.
    Diego und Indie sind verschwunden. Ihre Gedanken berühren sich nicht mehr.

20
    Indie

    D as weiche Lachen von Granny weht durch meine Gedanken. »De la Vega«, sagt sie zärtlich. »Sagt nie Zorro zu ihm.« Doch Diego, der Wüstenhund, heißt weder de la Vega noch Zorro. Meist schnalzten wir nur mit der Zunge und schon kam er angesprungen, hüpfte begeistert um uns herum, immer bereit, uns zu begleiten. Nur Dawna rief manchmal seinen Namen, so, wie Granny ihn auch rief.
    »Weil Zorro Fuchs bedeutet«, hatte mir Granny einmal erklärt, dabei den Wüstenhund zwischen den Ohren gekrault. »Und unser Diego ist doch kein Fuchs.« Das hatte mir eingeleuchtet. Aber erst jetzt verstehe ich, was sie damit gemeint hat. Diego ist ein Wolf, genau wie Zorro führt er ein unscheinbares Leben und doch kann er zum Kämpfer und zum Retter werden.
    Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Straßenlaterne vor dem Laden geht nicht mehr und die Fenster des Hauses sind nur schwarze Augen, die uns bedrohlich ansehen. Nur weil Diego neben mir läuft, kann ich auf dieses Haus zugehen. Wir sprechen nicht miteinander, aber es fühlt sich so an, als würden sich unsere Gedanken und Erinnerungen verweben und als wäre Diego froh, dass endlich dieser Moment gekommen ist, wo er sich zu erkennen geben kann. Seine schweren Boots bringen die Holzveranda zum Knarren. Vor der Ladentür bleibt er stehen und hält mir die Tür auf. Die Angst ist wieder da. Ich warte auf den heiseren Klang der Ladenglocke, doch er kommt nicht. Das spärliche Licht des Mondes wirft Schatten in Diegos Gesicht, aber ich kann sein Lächeln erkennen.
    »Die Heizung funktioniert«, sagt er und selbst seine Stime, die ich in meiner Kindheit nie gehört habe, scheint vertraut zu sein. Er ist wieder Mensch, nur an seinen Augen erkenne ich, dass er der Wüstenhund ist, und ich frage mich, warum ich es nicht gleich bemerkt habe. Wie ich seine Augen die ganze Zeit sehen konnte, ohne zu wissen, wer er ist. Trotzdem will ich nicht in diesen Laden. Obwohl ich weiß, dass mir mit Diego an der Seite nichts passieren kann. Aber noch ist dieser Ort verknüpft mit den dunklen Engeln, noch immer meine ich, Sam Rosell tritt an das Fenster und sieht auf die Straße. Die Bank auf der Veranda ist weg, die Bank, auf der Lilli-Thi oft gesessen und gewartet hatte. Gewartet auf was? Gewartet auf wen? Auf nichts, sie hatte einfach geradeaus gestarrt, bewegungslos, und nichts an ihrem Verhalten hatte jemals darauf hingedeutet, dass sie uns gesehen hatte. Die Bilder haben sich so tief in mein Gedächtnis gegraben, dass ich nicht dagegen ankomme. Als würde Diego meine Angst spüren, geht er als Erster in den Raum, das Licht flammt auf und blendet mich.
    Der Laden ist kein Laden mehr. Wirklich alles, was an Samael oder Sam Rosell erinnern könnte, ist nicht mehr da: die Regale, die Waren, sogar die Ladentheke fehlt. Die Wände sind alle frisch gestrichen und es stehen nur drei Möbelstücke mitten im Raum: ein riesiger dunkler Schreibtisch, dahinter ein ebenfalls

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