Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
richtig. Aber dieses eine Versteck war dennoch etwas anderes, zumindest für mich. Ich bin froh, dass du es durchwühlt hast und kein anderer. Jetzt kann ich unbesorgt dorthin zurück.«
    Ich rief mir die Kammer hinter dem Schotterberg in Erinnerung. »Da waren Spuren eines Feuers«, murmelte ich.
    »Der letzte Winter war verdammt kalt.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass euch Kälte etwas ausmacht.« Plötzlich verstand ich, warum er ständig Wollpullover trug. Seine Haut war zerstört - er fror. Immerzu.
    »Ich bewundere dich«, gestand ich Graves nach kurzem Schweigen leise. »Dir ist Schreckliches geschehen, Unwiderrufliches, aber du bist nicht verbittert.« Wie es die meisten Menschen wohl wären. »Du kämpfst sogar Seite an Seite mit Menschen, statt sie zu hassen. Warum?«
    Ein Lächeln glitt über Graves’ Gesicht. »Nach fast zwanzig Jahren wird es Zeit, sich miteinander auszusöhnen, meinst du nicht auch?«
    »Ja. Aber man muss vorsichtig sein.«
    Er sah mich einen Moment regungslos an. Er blinzelte nicht einmal. Dann berührte er mich an der Schulter und drehte sich um. Während er zur Tür ging, hörte ich ihn leise sagen: »Kluges Mädchen. Beherzige es.«
    • • •
    Auf dem Rückweg sprachen Neél und ich über Alex.
    Er schlenderte die Straße entlang, beide Daumen in den Hosenbund gehakt. Lässig sah das aus, aber meistens tat er es, um nicht gedankenlos seine Hände zu bewegen, was seine Nervosität verraten würde.
    »Ich hätte es ahnen müssen«, meinte er und schüttelte den Kopf. »Sie wollte dich nicht trainieren, sie war bloß neugierig und brauchte einen Vorwand, um dich kennenzulernen.«
    »Man muss nutzen, was man bekommt«, erwiderte ich, fest entschlossen, trotzdem weiterzuüben, mich im Dunkeln anhand von Geräuschen zu orientieren. Es funktionierte inzwischen zu gut, um es aufzugeben, auch wenn ich nie auch nur annähernd die Sicherheit erreichen würde, die ich an Alex so bewunderte.
    »Ich unterschätze manchmal, was verletzter Stolz alles anrichten kann.«
    »Du meinst nicht nur Alex, oder?«
    Er gab mir ein Grunzen als Antwort, das alles und nichts sagte, mich aber effektiv davon abhielt, weiter nachzuhaken. Es gab ohnehin eine Frage, die mir im Moment wichtiger erschien, so wichtig, dass sie meinen Magen schwer und hart machte, als hätte ich Steine gegessen.
    »Bist du enttäuscht, Neél?«
    »Von unseren Resultaten? Ja. Es wird immer schwieriger. Wir stehen unter Beobachtung, Graves noch stärker als ich. Wir brauchen endlich Ergebnisse, aber ich weiß nicht, wie weit wir gehen können, ohne dass es zu gefährlich wird. Tödlich. Ich bin nicht erfahren darin, Grenzen zu überschreiten. Bis vor Kurzem habe ich mich immer aus allem rausgehalten, hatte Vertrauen in die Triade und glaubte an unser Recht - daran, dass das Land uns gehört, und nur uns.«
    »Und daran glaubst du nun nicht mehr?«
    Er sah mich seltsam an. So als überlegte er, mich anzulügen. Aber scheinbar entschied er sich für die Wahrheit. »Doch. Du kennst unsere Geschichte, es ist unser Recht, denn wir haben den Krieg gewonnen. Versteh mich nicht falsch: Auch Graves glaubt, dass wir ein Recht auf das Land haben. Nur missbilligt er, wie es umgesetzt wird. Er glaubt, dass Zwang und Gewalt unweigerlich zu einem neuen Krieg führen, und er hasst Krieg, darum kämpft er dagegen.«
    Das konnte man Graves nicht verdenken. »Was glaubst du?«, fragte ich und erinnerte mich an die Selbstverständlichkeit, mit der Neél Gewalt angewandt hatte. Auch mir gegenüber. Er war nicht wie Graves. Kein bisschen. Und trotzdem stand er auf seiner Seite.
    Er hob die Hände ein wenig. »Zunächst war ich nur neugierig. Ich wollte wissen, ob es andere Möglichkeiten gibt, andere Wege als die, auf die die Triade uns schickt. Und dann wurde ich neugierig, ob diese anderen Wege vielleicht besser sind.«
    »Und jetzt?«, flüsterte ich.
    »Und jetzt scheint jeder Weg der falsche zu sein ...« Er stieß die Luft aus. »Weißt du noch: Wer beide Seiten sieht, der kann nur verlieren.«
    »Nicht wenn beide Seiten sich einig werden«, widersprach ich, aber wie aussichtslos das war, wusste ich selbst, daher verwunderte mich sein bitteres Lachen nicht.
    »Das sagst ausgerechnet du, die alles als Märchen oder Lügengeschichten versteht?«
    »Du zum Beispiel, du versuchst es doch«, sagte ich und versuchte, nicht patzig zu klingen »Das ist mehr, als die meisten anderen tun. Die meisten denken nur an sich selbst.« Ja, allen voran du, stichelte

Weitere Kostenlose Bücher