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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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von der Erde und der Sonne, als wären es Gottheiten, und das irritierte ihn.
    Das Schwanken, mit dem die auf elf Metern Höhe angebrachte Hütte auf den anschwellenden Sturm reagierte, ließ seinen Magen kribbeln. Er war eben weder ein Vogel noch ein Eichhorn. Menschen gehörten nicht in solche Höhen. Diese Menschen hier schienen das allerdings anders zu sehen. Wie die Affen huschten sie an Strickleitern und Netzen die Stämme rauf und runter. Diesen Rebellenclan mit den angeblich stärksten Kämpfern hatte Matthial sich anders vorgestellt. Und vor allem Jamie. Laut den Legenden, die über ihn kursierten, war er ein Mann wie ein Baum. Hart, wettergegerbt und in den Schultern so breit wie zwei Frauen, wenn man sie nebeneinanderstellte. Matthial ließ seinen Blick über den sagenumwobenen Clanführer schweifen, während der einen tiefen Schluck Kräutertee aus seiner Tasse nahm. Jamie war in Wahrheit klein und gedrungen, mit rötlich braunem Haar und buschigen Augenbrauen. Unter dem gestutzten Bart schimmerten Aknenarben durch. Er sah völlig unauffällig aus und verhielt sich auch nicht wie ein Anführer. Das Wasser für den Tee hatte er selbst gekocht und die Hornhaut an seinen Händen ließ vermuten, dass er sogar das Feuerholz hackte.
    »Macht dich das Wetter denn so nervös?« Jamie lachte, wie ein Ziegenbock meckert. »Das muss es nicht. Dieses Dorf steht schon lange. Es muss mehr kommen als ein bisschen Regen, damit wir unruhig werden.«
    »Ganz erstaunlich«, lobte Matthial höflich. »Was meinst du mit mehr ? Percents?« Ihm war aufgefallen, dass das Dorf zwar recht gut getarnt war und die Baumhäuser im Sommer zwischen den dicht bewachsenen Zweigen kaum auffielen, aber völlig unbemerkt konnte man eine solche Siedlung trotzdem nicht unterhalten.
    Jamie rieb sich den Bart. »Dass die zum letzten Mal hier waren, ist lange her. Vor elf oder zwölf Jahren - weiß ich gar nicht mehr so genau - kamen sie mal, mit viel Tamtam und Pistolen und Armbrüsten und so was. Das hat aber nicht so geklappt, wie sie sich das dachten. Da kamen sie dann mit Feuer. Das wurde aber auch nichts.«
    »Warte mal, warte.« Matthial hob die Hand. Das wollte er näher wissen. »Wie habt ihr sie zurückgeschlagen?«
    Jamie griff nach einem Pfeil, der achtlos am Boden lag, und hob mit dessen Spitze einen Lederlappen an, der an die Wand genagelt war. Darunter versteckte sich eine schmale, längliche Öffnung, die aussah wie ein extrem breiter Briefschlitz. Matthial hatte von draußen schon gesehen, dass alle Außenwände hier über diese Ritzen verfügten. Er musste zugeben, dass sie optimal durchdacht waren. Mit hochgezogenen Strickleitern und geschlossenen Fenstern konnte der Clan seine Angreifer durch die Öffnungen bequem beschießen. Jeder Schütze blieb in der Sicherheit seiner vier Wände.
    »Und als sie mit Feuer kamen?«, hakte er nach.
    Jamie lächelte gönnerhaft. »Das Dorf liegt in einer Flussbiegung, wie du vielleicht gesehen hast. Sie kamen nur von einer Seite nah genug heran und diese sichern wir durch Außenposten. Einmal haben sie versucht, uns auszuräuchern, indem sie ein paar Bäume auf der anderen Seite des Flusses abgefackelt haben, aber unser Freund, der Wind, stand auf unserer Seite.«
    Ihr Freund, der Wind, so, so. Matthial beschloss, es einfach dabei zu belassen.
    »Später«, fuhr Jamie fort, »haben wir uns darauf geeinigt, dass wir sie in Ruhe lassen und sie uns.«
    Matthial stutzte. Er griff nach seiner Teetasse und nahm einen zaghaften Schluck. Es schmeckte bitter. »Ich fürchte, ich habe nicht richtig verstanden. Ihr habt euch geeinigt ?«
    »Man muss miteinander sprechen.« Jamie verschränkte die Füße. »Das habe ich auch zu deinem Vater gesagt, als er bei mir saß wie du jetzt.«
    »Davon weiß ich nichts. Mein Vater hat nie viel geredet. Auch mit mir nicht.«
    »Wundert mich nicht.«
    »Aber ...« Matthial wägte seine Worte sorgfältig ab. Er wusste, dass Jamie und Mars im Streit auseinandergegangen waren, aber er hatte nie erfahren, warum. »Wenn ihr Absprachen mit den Percents getroffen habt, wie kommt es dann, dass auch einige von euren Männern umgekommen sind, als die Percents vor vier Jahren Rebellen in den Clangebieten angegriffen haben?«
    Erstmals senkte Jamie den Kopf. Für einen winzigen Moment hatte Matthial den Eindruck, einem alten Mann gegenüberzusitzen. Doch dann wischte der Clanführer den Eindruck aus seinem Gesicht wie einen Schlammspritzer. »Die Absprachen gelten für das

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