Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
konnten. Dann nahm er die Hände locker neben den Körper und zuckte bedächtig mit den Schultern. Ein nachlässiges: Ich bin so weit.
    Dass er stehen blieb, brachte mich in eine nachteilige Situation, denn dadurch musste ich auf ihn zugehen. Ich näherte mich ihm in einem Bogen, achtete auf jede seiner Regungen, auf festen, nicht zu rutschigen Boden unter den Füßen und selbst darauf, dass der Wind so stand, dass er mir das Haar aus dem Gesicht blies. So konnte der Percent mich nicht riechen, was es ihm erschwerte, meinen Zustand einzuschätzen. Er sollte nicht durch das Adrenalin in meinem Schweiß erfahren, wie viel Angst ich tatsächlich hatte. Ich war so betäubt von meinem Zorn, dass ich es selbst nicht wusste.
    Während ich halb um ihn herumging, bewegte er sich kaum, neigte bloß den Kopf ein wenig in meine Richtung. Ich hatte nur einen Versuch, ihn durch Geschwindigkeit zu überrumpeln, und musste ihn bei diesem ersten Vorstoß verletzen, ansonsten wären meine Chancen nicht erwähnenswert. Was bloße Kraft betraf, war er mir weit überlegen. Drei Schritte noch und ich war genau hinter ihm. Zwei, einen ...
    Mit aller Kraft trat ich ihm in die Kniekehlen. Er stürzte tatsächlich und der Stein in meiner Hand raste auf seinen Kopf zu. Doch noch im Fallen drehte er sich um und bekam mich zu packen, ehe meine Waffe ihr Ziel erreicht hatte. Der Stein streifte seinen Kopf, verfing sich in seinem Haar, verletzte ihn aber nur leicht. Wir stürzten zu Boden. Ich stieß mich ab und warf mich auf ihn. Hielt meinen Stein umklammert, weil mein Leben daran hing. Der zweite Versuch, ihn am Kopf zu treffen, gelang. Es krachte, ein widerliches Geräusch von reißender Haut. Blut spritzte von seiner Stirn bis an meine Lippen. Ich setzte nach, aber diesmal konnte er meinen Arm abfangen. Er verdrehte mein Handgelenk, sodass meine Finger auseinanderschnappten wie die Schalen aufgebrochener Muscheln. Ich stöhnte durch aufeinandergebissene Zähne. Knurrte. Laute, wie wilde Hunde sie im Kampf von sich gaben. Ich zog ihm die Fingernägel quer durchs Gesicht, um den anderen Arm frei zu bekommen, aber er stieß bloß ein Geräusch aus, das wie ein höhnisches Lachen klang. Alles Weitere geschah, als bestimme eine fremde Macht über meinen Körper. Was jetzt folgte, lief wie in Zeitlupe ab: Ich fletschte die Zähne, stieß vor und biss nach ihm, nach dem ersten Körperteil, das ich erwischte. Ich grub die Zähne in sein Gesicht, traf ihn dort, wo Kinn und Kiefer ineinander übergehen, kurz unterhalb des Ohres. Der Percent grollte, bäumte sich unter mir auf und schleuderte mich zur Seite. Ich rollte mich ab, damit er sich nicht auf mich stürzen konnte, und sprang auf die Füße.
    Das Messer!
    Aber danach zu greifen, hätte mich Zeit gekostet. Mein Messer war eine Falle, die er mir gestellt hatte. Ich verbot mir einen Blick auf die Waffe und rannte los. Wenn der Himmel gnädig war, hatte ich den Percent hinreichend verletzt, um ihm zu entkommen.
    Schnee flog in die Luft, als ich ihn durchpflügte. Nie war mir der Wald so nah erschienen. Beim Laufen spuckte ich das Blut des Percents aus. Keuchte vor Anstrengung, Panik, Ekel ... und Euphorie. Sein Blut zwischen meinen Zähnen, auf meinen Händen und auf meiner Jacke war Beweis, dass er verletzt war. Ich war es nicht, zumindest nicht schwer. Das Adrenalin dämpfte jeden Schmerz, ich spürte meine Muskeln nur als Hitzestränge, die bei jedem Schritt aufloderten. Die Bäume kamen näher, so nah, dass ich die Hände ausstreckte, um sie schneller erreichen zu können. Fernab hörte ich einen Ruf. Ein Pferd wieherte. Ich sah mich um. Der Percent war noch weiter zurückgeblieben, als ich mir erhofft hatte. Er hob beide Hände, gestikulierte. Ich verstand nicht, blickte wieder nach vorn und ein paar Fuß weiter noch einmal über meine Schulter. Er war stehen geblieben.
    Und dann erreichte ich den Wald.
    Ich brach an der Stelle durch brüchig gefrorenes Unterholz, wo ich zuvor den Lichtfinger gesehen hatte. Schon nach den ersten Schritten wurde es dunkler, denn auch winterkahl bildeten die Baumkronen ein dichtes Dach. Nach wenigen Metern war der Boden frei von Schnee und ich konnte noch schneller laufen. Ich sah mich um. Der Percent war nicht mehr zu sehen. Mein Herz schlug wie eine wilde Trommel, die ohne ein Lied vom Sieg erzählte. In meinem Kopf schien es zu glühen. Vor Freude schrie ich laut auf.
    Vielleicht war es der Schrei, der mir zum Verhängnis wurde. Denn als ich wenige Augenblicke

Weitere Kostenlose Bücher