Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
solltet draußen bleiben.»
«Schnauze!», raunzte der Bucklige, und in seinem Tonfall war keine Spur mehr von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, mit der er ihnen anfangs begegnet war. Er hatte Ephrions Ledertasche und den Beutel mit den Goldmünzen auf die Blechtonne gelegt und war dabei, Joashs Dolch zu inspizieren. Während Miro und Joash sich flüsternd unterhielten, stand Ephrion nur mit schlotternden Knien da und spürte, wie ihm etwas Warmes die Hosenbeine hinunterlief.
«Joash», flehte Miro erneut. «Hilf uns raus hier, bitte!»
«Ey, du bist doch sonst immer so clever», grunzte Joash ungerührt. «Lass dir was einfallen, Hirn.»
«Bitte!» Miros Stimmchen war derart dünn und weinerlich geworden, dass Joash doch langsam Mitleid mit ihm kriegte.
«Na schön», ließ er sich seufzend erweichen wie ein Großvater, der auf das Drängen seines Enkels hin doch noch eine Gutenachtgeschichte erzählt, «dann räumen wir mal auf hier.»
Er machte einen Schritt nach vorne, wurde jedoch gleich grob an der Schulter gepackt. Zwei Männer drehten ihm die Arme auf den Rücken und hielten ihn wie in einem Schraubstock fest. Joash jaulte übertrieben laut auf und machte einen kläglich wirkenden Versuch, die beiden von sich abzuschütteln.
«Ey, Pockenschleuder! Ich hätte da mal einen Vorschlag», rief er dem Buckligen entgegen. Die Bemerkung brachte ihm eine schallende Ohrfeige und einen heftigen Faustschlag gegen die Rippen ein. Joash krümmte sich und stöhnte gepresst. Er schmeckte Blut auf seinen Lippen.
Der Bucklige legte den Dolch weg und warf dem Burschen mit der Filzlockenmähne einen Blick zu, als wäre er nichts weiter als ein bemitleidenswertes Geschöpf, mit dem er sich nicht mehr lange abgeben würde. «Ich höre?»
Joash richtete sich auf und hielt dem Blick des kleinen Mannes seelenruhig stand. «Also, die Sache ist die, Giftzwerg», sagte er mit der Miene des geborenen Geschäftsmannes. «Ihr gebt uns unsere Sachen zurück und alles, was wir für die Weiterreise brauchen, und ich verspreche Euch, dass niemand verletzt wird.»
«Ha!» Der Bucklige lachte amüsiert auf. «Ihr habt Sinn für Humor, nich? Muss man Euch lassen. Muss man Euch wirklich lassen.»
«Deal?»
«Wir sind fertig hier, nich?» Der Bucklige nickte seinen Leuten zu und machte eine flüchtige Handbewegung, als würde er eine Fliege verscheuchen. «War nett, mit euch Geschäfte zu machen.»
Die Bande grinste – aber nicht lange. Plötzlich ging alles ganz schnell. Bevor irgendjemand etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sich Joash vom Griff der beiden Männer befreit und sie mit je einer Hand gepackt. Den ersten schwang er wie einen nassen Waschlappen über dem Kopf und schleuderte ihn quer durch die Scheune, wo er dumpf gegen ein Regal knallte und unter einem Berg von Metalldosen begraben wurde. Den zweiten hob er mit einem einzigen Griff in die Höhe und ließ ihn gut eine Elle über dem Boden schweben. Der muskulöse Mann, der mindestens einen halben Kopf größer war als Joash, lief rot an, strampelte wie wild in der Luft herum und versuchte sich röchelnd aus dem Würgegriff zu befreien. Doch Joash hielt ihn mit einem schalkhaften Grinsen in seiner Faust fest.
«Na, wie gefällt dir das, Quadratglotzer?»
Als die andern beiden Schurken sahen, was mit ihren Spießgesellen geschehen war, ließen sie vor Schreck ihre Knüppel fallen und ergriffen Hals über Kopf die Flucht.
«Ey!», rief ihnen Joash hinterher. «Wartet, Karotten-Rambos! Für euch hab ich auch noch was! Spielverderber!»
Er spuckte vergnügt auf den Boden und wandte sich wieder dem Buckligen zu. Dieser war leichenblass geworden und stand da wie ein begossener Pudel.
«Und?», gluckste Joash heiter. «Rückt Ihr unsere Sachen raus? Ich kann dem Lulatsch auch das Genick brechen, wenn Euch das lieber ist, nich?»
Der zappelnde Räuber in seiner Hand rollte mit den Augen wie ein tollwütiges Tier. Der Bucklige nickte so heftig mit dem Kopf, als würde er von einem Schüttelfrost gepackt. Das blanke Entsetzen stand ihm in sein hässliches Gesicht geschrieben. Er brummelte ein paar unverständliche Worte vor sich hin und quietschte dann mit einem verzerrten Lächeln in die Dunkelheit hinein:
«M … MEISTER! Wir haben ein kleines Problemchen hier!»
19
Ein Stampfen war zu hören. Danach ein merkwürdiges Schnaufen. Miro und Ephrion wichen zurück und suchten eilends Schutz hinter einer Kiste. Ein riesenhafter Schatten fiel auf den Scheunenboden.
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