Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
«Ich dachte, du wolltest heute auf Monsterjagd gehen. Das hast du jedenfalls gestern beim Abendessen stolz verkündet.»
«Ich hab’s mir anders überlegt», grummelte Miro und wollte sich eben neu in seine Decke kuscheln, als Sihana sie ihm gewaltsam entriss.
«Auf jetzt. Meine Mama und ich warten oben auf euch. Mama hat sogar frische Brötchen gebacken. Extra für euch.»
«Frische Brötchen?», gähnte Ephrion begeistert, räkelte sich und fuhr sich durch sein verstrubbeltes Haar. «Bei uns zu Hause gibt es immer nur schwarze Grütze zum Frühstück.»
«Bei Onkel Fingal gab es überhaupt nichts zum Frühstück», sagte Aliyah und warf die Decke zurück. «Das ist echt nett, dass ihr euch so um uns kümmert.»
«Ihr seid unsere ersten Gäste in zehn Jahren», erklärte Sihana, trat vor einen Spiegel, der neben einem Bücherregal hing, und zeichnete ihre Lippen nach. «Es ist das erste Mal, seit mein Vater verschwunden ist, dass meine Mama jemanden nach Hause bringt. Es bedeutet ihr viel, euch helfen zu dürfen.»
Nachdem alle einigermaßen wach waren, packten sie ihre Sachen zusammen, stiegen aus dem Schrank und die Treppe hoch ins Wohnzimmer.
Ein herrlicher Duft nach frischen Brötchen und Kaffee lag in der Luft. Mona hatte ein fürstliches Frühstück auf den Tisch gezaubert. Es gab Brötchen, selbstgemachte Konfitüre, Wurst und Käse, frisch gepressten Blaufruchtsaft und starken Kaffee. Joash war zur allgemeinen Verwunderung erstaunlich gesprächig und überaus gut gelaunt. Er rührte das Essen nicht an und behauptete, keinen Hunger zu haben. Dafür knuffte er Ephrion plötzlich in den Arm und nickte ihm grinsend zu.
«Du siehst heute gut aus, Ephi. Warum siehst du so gut aus?»
Ephrion sah Joash verwirrt an, während er sein zweites Brötchen verdrückte und sich bereits das dritte mit Marmelade beschmierte. Und bevor er den Mund leer hatte, um etwas auf Joashs eigenartige Bemerkung zu erwidern, wandte sich der Bursche bereits an Aliyah. «Mann, Aliyah. Ist mir gar nie aufgefallen, wie hübsch du bist.»
«Danke, Joash», murmelte Aliyah überrascht.
Seit wann verteilt Joash Komplimente?, dachte sie. Das ist ja mal was ganz Neues.
«Hey, und was ist mit mir?», meldete sich Miro und streckte sein Näschen in die Luft. «Du müsstest eigentlich geblendet sein von meiner Frisur. Ich sehe gut aus, sag die Wahrheit.»
Joash drehte sich ihm zu und kniff die Augen leicht zusammen. «Dein Haar ist total …»
Abgefahren, vervollständigte Miro den Satz in Gedanken, während er an seiner steinharten Frisur herumzupfte, für die er mindestens eine Viertelstunde Arbeit vor dem Spiegel aufgewendet hatte. Selbst ein Orkan hätte seinem mit Gel aufwendig zerzausten Haar nichts anhaben können. Meine Frisur ist total abgefahren, sag es schon, sag es schon, es liegt dir doch auf der Zunge.
Joash suchte noch immer nach dem richtigen Wort, und dann stellte er zu Miros großer Enttäuschung fest: «Total rot. Es ist total rot.»
Ephrion grinste. Miro schaute sauer drein. «Natürlich ist es rot. Es war schon immer rot, Blödmann.»
«Nein, du verstehst nicht», sagte Joash, packte Miro am Arm und sah ihn an, als ginge es hier um eine Frage auf Leben und Tod. «Dein Haar ist wirklich rot, sag ich dir.» Er streckte seine Hand aus, um es zu berühren, aber Miro tauchte genervt unter ihm weg.
«Mann, Joash, ehrlich. Du machst mir meine Frisur kaputt. Was ist eigentlich los mit dir?»
Ephrion kicherte amüsiert und leckte sich seine mit Marmelade beschmierten Finger. Mona hielt sich die Hand vor den Mund und hustete. «Möchte noch jemand etwas Kaffee?», fragte sie dann und hielt die Kanne hoch.
«Sehr gerne», sagte Aliyah und streckte ihr die Tasse hin.
Während sie ihre Tasse füllte, wandte sich Sihana mit besorgter Miene Joash zu, der noch immer nichts angerührt hatte und ständig aus unerfindlichen Gründen vor sich hingrinste. «Joash, iss doch etwas», forderte sie ihn auf. «Ihr habt eine lange Reise vor euch. Hast du keinen Appetit?»
«Ey, ich fühle mich gut», antwortete der Bursche euphorisch und klatschte in die Hände vor Begeisterung. «Ich fühle mich sogar außerordentlich gut heute! Es wird bestimmt ein wunderschöner Tag, Leuchtkäfer.»
«Leuchtkäfer?», wiederholte Sihana verdutzt.
«Ja, Mann. Ist alles total pink, Mann», begründete Joash. «Voll krass, wie du leuchtest, ey.»
Ephrion beugte sich zu Aliyah hinüber. «Also irgendetwas stimmt nicht mit ihm», flüsterte er ihr
Weitere Kostenlose Bücher