Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
ins Ohr.
«Definitiv», nickte Aliyah, während sie an ihrem heißen Kaffee nippte. Joash verhielt sich tatsächlich sehr merkwürdig, und sie konnten sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. Er stand irgendwie total neben sich.
Nayati stupste Aliyah in die Seite und gab ein weinerliches Geräusch von sich. Aliyah wusste, was es bedeutete. «Nayati müsste mal», sagte sie und stellte die Kaffeetasse ab. «Könnte ich ihn kurz rauslassen?»
«Bleib du sitzen. Ich mach das schon», bot sich Sihana freiwillig an und schob ihren Stuhl zurück.
«Danke», sagte Aliyah. Sie beugte sich zu Nayati hinunter und nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. «Mach schnell, hörst du? Du weißt, sie suchen da draußen nach uns. Und auch nach dir.»
Nayati winselte, als hätte er verstanden. Dann zog er seinen Kopf zurück und trottete folgsam hinter Sihana her. Sie brachte ihn zur Tür und kehrte gleich darauf wieder an den Tisch zurück.
«Ihr solltet kurz vor Mittag aufbrechen», kam Mona auf ein etwas heikleres Thema zu sprechen, «da sind am meisten Leute unterwegs und ihr erregt am wenigsten Aufsehen. Den Weg zu den Ewigen Sümpfen kennen wir leider nicht, aber meine Tochter kann euch wenigstens aus der Stadt bringen.»
«Und die Sicherheitsgarde?», gab Ephrion zu bedenken. «Wie kommen wir unbemerkt an der vorbei? Ihr habt uns gestern gesagt, sie hätten sogar Bilder von uns.»
«Sie suchen nach drei Jungs, einem blinden Mädchen und einem weißen Wolf», erklärte Mona, und ihre Tochter ergänzte wie aus der Kanone geschossen:
«Aber wir haben da ein paar Tarnvorschläge ausgearbeitet, nicht wahr, Mama?» Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie schier platzte vor Aufregung.
«Wie wär’s damit», schlug Miro grinsend vor, «wir färben den Wolf schwarz ein, und Aliyah tut so, als wäre sie nicht blind. Problem gelöst.»
«Sehr witzig», knurrte Aliyah.
Sihana war indessen vom Tisch aufgesprungen und zu einer alten Truhe geeilt. Sie öffnete sie und pickte ein langes dunkelblaues Samtkleid heraus.
Miro schüttelte verständnislos den Kopf. «Ich will ja keine Gefühle verletzen. Aber darin wird Aliyah noch genauso blind aussehen.»
Sihana lachte. «Das Kleid ist nicht für Aliyah, Schlaumeier. Es ist für dich!»
«Für mich? », wiederholte Miro und sah Sihana mit aufgerissenen Augen an. «Das ist jetzt nicht dein Ernst.»
«Oh doch», verkündete Sihana mit klimpernden Augendeckeln. «Sie suchen nach drei Jungs und einem Mädchen, nicht nach vier Mädchen.»
«Ich zieh das nicht an. Niemals», sagte Miro verkniffen.
Sihana beachtete ihn nicht, wühlte weiter in der Truhe und hielt ein weiteres Damenkostüm hoch. Es war rosa. «Das hier ist für dich, Ephrion.»
Ephrion kicherte. «Ansgar wird sich totlachen, wenn ich ihm das erzähle.»
«Das ist doch völlig bescheuert», sagte Miro grimmig. «Ich meine, nicht, dass ich keine gute Figur machen würde. Aber muss das wirklich sein?»
«Also mir gefällt die Idee», meldete sich Aliyah amüsiert. «Zu schade, dass ich euch nicht dabei zusehen kann.»
Joash sagte gar nichts. Er war gerade damit beschäftigt, mit seinem Besteck einen Turm zu bauen.
«Etwas Besseres ist uns leider nicht eingefallen», versicherte ihnen Mona. Sie erhob sich hustend vom Tisch und ging zu ihrer Tochter hinüber.
«Vertrau mir», schmunzelte Sihana und wedelte mit dem dunkelblauen Kleid in der Luft herum. Miro verzog den Mund, als hätte er auf eine Zitrone gebissen, während er den Stuhl zurückschob und zögernd auf Sihana zuging. Ephrion brauchte keine Extraeinladung. Er watschelte mit raschen Schritten hinter Miro her und griff entschlossen nach dem rosa Rüschenkleid. Mit Müh und Not zwängte er sich hinein. Es passte hinten und vorne nicht, und der dicke Junge kam sich vor wie in einer Zwangsjacke.
«Du siehst aus wie ein angerichtetes Spanferkel», grunzte Miro. «Fehlt bloß noch der Apfel im Mund.»
«Ha-ha», machte Ephrion. Er bewegte seine Arme etwas nach vorn, worauf der Stoff sich so sehr spannte, dass sämtliche Nähte platzten. Er lächelte Mona verlegen an. «Tut mir leid. Das war keine Absicht.»
«Fettwanst», flüsterte Miro absichtlich laut.
«Keine Sorge, wir finden schon noch was für dich», beruhigte ihn Mona und half ihm, sich wieder aus dem Kostüm zu befreien.
«Hier», sagte Sihana und drückte Miro indessen das blaue Samtkleid vor die Brust. «Anziehen.» Grummelnd gehorchte Miro. Sihana knöpfte das Kleid von hinten zu und gab
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