dark destiny
»Mmpf!« heraus. Mein Kopf baumelte über dem Boden und ich musste hilflos mit ansehen, wie jemand - eine Frau oder ein Mädchen - das Seil an einer Astgabel verknotete. Die Chancen, mich selbst zu befreien, standen miserabel. Mein Bein schmerzte bestialisch und ich fürchtete, dass sämtliche Knochen, zumindest aber mein Fußknöchel gebrochen waren. Um nicht zu wimmern, musste ich die Zähne zusammenpressen und den Kiefer derart anspannen, dass das Atmen schwer wurde. Blut stieg mir in den Kopf.
»Spionierst wohl rum, he?«, fragte die Frau mit scharfem, aber eindeutig erheitertem Tonfall. Sie trug eine Kapuze, die ihr Gesicht beschattete.
»Ich will nur reden«, brachte ich hervor. Meine Haare fegten den Boden unter mir, aber mit den Fingern kam ich nur gerade eben an den Schnee. Ich konnte mich nicht abstützen, um meinen Fuß zu entlasten. »Ich komme in friedlicher Absicht.«
»Meinst du, irgendeiner würde was anderes sagen, wenn er da hängt?«
Ich war offenbar nicht die Erste, die ihnen in die Falle gegangen war. Ein schwacher Trost.
Die Frau hoppelte näher an mich heran. Sie war klein und zierlich, aber nur auf den ersten Blick hatte sie jung gewirkt. Nun konnte ich ihr Gesicht unter der Kapuze erkennen. Es war faltig, aber es waren nicht jene Art von Falten, die das Alter schafft, sondern solche, die sich bilden, wenn man ständig die Stirn runzelt oder die Lippen zu einem missmutigen kleinen Kreis zusammenzieht. Verkniffen, das war das Wort, das zu ihr passte.
»Was willst du hier, kleines Mädchen?«
Mein Gesicht befand sich auf der gleichen Höhe wie ihre Knie und das gefiel mir nicht. Sie deutete immer wieder mit der Stiefelspitze an, mich treten zu wollen, tat es aber nicht. Noch nicht.
»Ich gehöre zu Matthials Clan.«
»Matthials Clan«, wiederholte sie höhnisch. »Matthial hat keinen Clan.«
»Wir sind wenige«, gab ich zu. »Aber Matthial ist Mars' Sohn und damit berechtigt, Clanführer zu sein.«
»Pah, Mars! Mars ist weit weg.« Sie drehte sich um und ich atmete etwas leichter. »Und das ist auch gut so.«
»Bitte lass mich runter. Ich bin nur zum Reden gekommen.«
»Und zum Essen! Aber wir haben nichts für euch dumme Kinder, die so wenig vom Leben wissen, aber immer so schlau sein wollen.«
«Ich brauche euer Essen nicht. Ich will nur ein paar Fragen stellen.«
Sie wandte sich mir wieder zu. »Was für Fragen?«
Ich setzte auf ihre Neugier und schwieg.
»Was willst du? Zu wem willst du?« Sie nahm einen eisverkrusteten Stock und pikte mir mit dem einen Ende in die Rippen.
»Lass mich runter.«
Sie zog ein Messer, doch sie stach damit nicht nach mir. Sie schnitt das Seil durch, so schnell, dass es mir nicht mehr gelang, den Sturz mit den Händen abzufangen. Ich krachte auf den Kopf und kippte zur Seite wie ein gefällter Baum. Eine Sekunde lang glaubte ich, mich nie wieder regen zu können. Überall, wo ich hinsah, flackerten rote Lichter. Während ich versuchte, meine Sinne zu sortieren, bewegte ich vorsichtig meine Zehen. Es schien nichts gebrochen.
Die Frau sah mich fest entschlossen an und mir war klar, dass ich für die Vorleistung, mich freizulassen, nun zahlen musste - mit Antworten. Viel lieber hätte ich meine Hände um ihren drahtigen Hals geschlossen, aber der Clan würde kaum noch gesprächsbereit sein, wenn ich eine Späherin erwürgte.
»Es gab einen Gefangenen«, sagte ich leise. »Matthial und Jamie wollten ihn den Percents zum Tausch anbieten. Als Geisel, verstehst du?«
Die Frau nickte bedächtig.
»Ich will wissen, was mit ihm passiert ist.«
Sie schien das zu akzeptieren, was nicht bedeutete, dass sie darauf reagierte. »Wie heißt du?«, fragte sie stattdessen.
»Joy.«
»Ich bin Myria. Ich bin die Hebamme hier.«
Sie überlegte lange, dabei hatte ich das Gefühl, dass die Entscheidung längst feststand. »In Ordnung«, meinte sie schließlich. »Hast du Waffen?«
Ich schüttelte den Kopf. Eine Lüge. Doch mein Messer war unter dem losen Futter im Schaft meines Stiefels gut versteckt.
Myria nahm eine dünne Schnur aus geflochtenem Leder aus ihrer Jackentasche und forderte mich mit einer Geste auf, die Hände auszustrecken. »Das ist Vorschrift. Wir kennen dich nicht - wir trauen dir nicht.«
Ich spielte mit dem Gedanken, das auszudiskutieren - womöglich auch mit den Fäusten -, ließ dann aber zu, dass sie mich fesselte. Ich wollte jetzt endlich zu diesem Clan, Antworten auf meine Fragen bekommen und dann verschwinden, um damit leben zu
Weitere Kostenlose Bücher