dark destiny
Kratzer. Es hörte schon auf zu bluten. Erst jetzt, da ich von ihr wusste, begann die Wunde wehzutun. Aber die Schmerzen waren es nicht, was mir heiße Angst in den Kopf steigen ließ. Ich starrte das schartige Messer an. In meinem Kopf hörte ich die Stimme des alten Laurencio.
Ein gutes Messer tötet dich schnell. Ein schlechtes lässt dich langsam verrecken.
15
unter geistern ist die kraft von muskeln kein vorteil
»Neel? Verdammt, reiß dich zusammen! Neel!«
Neel versuchte, den Kopf zu heben, aber der war so schwer, als hätte jemand seinen Schädel mit Erde vollgestopft. Er gab ein Brummen von sich, da seine Zunge für Worte zu dick und zu trocken war.
»Mach es nicht schlimmer, als es ist. Los, steh auf!«
»Graves?« Neel rieb sich über das Gesicht. Nein, das war nicht Graves, die Stimme war weiblich. »Oh, Alex. Wie geht's?«
»Wie soll es mir schon gehen, du Ochse? Ich musste dich treten, um zu erfahren, ob du überhaupt noch lebst. Und du riechst...«
Etwas schepperte ohrenbetäubend und Neel hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, doch er schaffte es nicht, seine Hände rechtzeitig in Position zu bringen. Alex hatte seinen Becher auf die Tischplatte gedonnert, direkt neben sein Gesicht. Nun kullerte das Gefäß über das Holz und fiel dann mit einem weiteren Scheppern zu Boden.
Neel bemühte sich, den Kopf so weit zu heben, dass er Alex ansehen konnte. In ihren blinden Augen stand Wut. Das war eigentlich nichts Neues, Alex war ständig wütend, aber derart zornig hatte er sie selten erlebt. Er verstand das nicht. Früher war er oft betrunken gewesen und sie hatte nie ein solches Drama gemacht. Und inzwischen bestand ihre Abmachung von damals nicht mehr - es konnte ihr also egal sein, dass er sich das Hirn wegsoff.
Was willst du?, wollte Neel fragen, aber dann fiel ihm wieder ein, was er wollte.
»Graves«, wiederholte er. »Ich muss Graves sprechen.«
»Dann bist du hier genau richtig«, rief der Wirt ihm zu und lachte. Neel war also tatsächlich in der Bar eingeschlafen. Wie demütigend. »Der verbringt ja auch seine gesamte Zeit bei mir.«
Was tat er, Neel, dann hier? Er hatte doch mit Graves reden wollen, über ... über ...
»Oh Scheiße.« Von einem auf den anderen Moment sah er wieder klar, seine Gedanken rotierten und sein Kopf schmerzte, als wäre ein Pferd daraufgetreten. »Wir haben das Mädchen zum Blauen See gebracht und ich brauche Graves' Hilfe, damit -«
»Psst, leise!«, unterbrach Alex ihn energisch. »Ich bin hier. Ich, Alex. Denk nach, Neel. Schalte dein Gehirn wieder ein.«
Er atmete durch. Wenn Alex zu ihm kam, nachdem sie seit Wochen nicht mehr miteinander geredet hatten, musste sie von jemandem geschickt worden sein. Sie hatte nicht wissen können, wo er war. Und warum hätte sie ihn überhaupt suchen sollen? Nur einer wusste, wo er sich meistens aufhielt: Graves.
»Graves hat dich geschickt?«
Alex ließ sich auf einen Stuhl gleiten. »Ja, weil er damit beschäftigt ist, deine armselige Seele zu retten - das waren seine Worte. Geh und erzähl es der ganzen Stadt, na los.«
»Er beschützt das Mädchen? Woher weiß er davon?«
»Wir sind immer noch Flagg's Boulder. Uns entgeht nichts, was in dieser Stadt passiert.« Alex räusperte sich und flüsterte: »Er ist euch nachgeritten und wird auf das Mädchen aufpassen, bis du sie abholst. Dich werden sie vorher nicht aus der Stadt lassen. Graves ... kennt andere Wege. Und niemand vermisst ihn.«
Bestürzt registrierte Neel, welch hohes Risiko Graves noch immer für ihn auf sich nahm. Verdient hatte er das nicht.
»Er tut das nicht nur für dich«, stellte Alex sofort klar. »Er tut es für uns.«
Das weckte Neels Interesse. »Für uns? Meinst du Flagg's Boulder?«
»Natürlich.« Alex legte die Hände ineinander. »Wir anderen treffen uns noch immer.«
Er erwiderte nichts, obwohl er wusste, was Alex hören wollte.
»Du sagst gar nichts dazu?« Alex wartete vergeblich auf eine Reaktion, die sie wahrnehmen konnte.
»Nein.« Er wusste von Graves, dass sie ihn wieder dabeihaben wollte. Aber er wollte ihr keinerlei Hoffnungen machen. Er wollte dort nicht mehr hin - er gehörte dort nicht mehr hin.
Alex stieß ein lautloses, falsches Lachen durch die Nase. »Hat der Kampf von dir ein Opfer gefordert, das zu hoch war, großer Krieger?«
Es war mehr als das, der Kampf hatte seinen Sinn verloren. »Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das, was wir gesucht haben - Frieden mit den Menschen -, überhaupt noch
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