Dark Future: Herz aus Eis
sollte ich dann nicht einfach die Waffen in Gladow abliefern und das Preisgeld mitnehmen?«
»Eine gute Frage. Ein logischer Gedankengang.« Er blickte sie eindringlich an.
Wider besseres Wissen ließ sie ihren Blick zu seinem Mund schweifen – ein bisschen streng, ein bisschen grimmig, sehr sexy. Sie stieß die Luft aus. Was zur Hölle war nur los mit ihr?
»Na ja, jetzt muss ich nur noch ein Rebellen-Camp finden«, murmelte sie und löste ihren Blick von ihm. »Ich werde erst mal zurück zum I-Pole fahren. Dort werde ich versuchen, über den Kommunikator ein paar andere freie Fahrer zu erreichen. Irgendjemand hat vielleicht eine Ahnung.« Während sie über ihr Dilemma nachdachte, nagte sie an ihrer Unterlippe. Sie lenkte ihren riesigen Truck in Richtung des alten Highways, der durch das Nördliche Ödland verlief. »Ich muss aufpassen, was ich sage, locker und beiläufig klingen, falls jemand uns abhört und auf der Suche nach uns ist.«
Wizard stand auf und ging zu der Tür, die die Fahrerkabine vom kleinen Wohnbereich trennte. »Ich werde das Frühstück machen«, sagte er, während er in der Tür stand. Sie sah ihn an. Er hatte den Arm erhoben, stützte sich mit einer Hand am Türrahmen ab und hatte den Kopf gesenkt, als würde er über eine sehr wichtige Frage nachdenken. Nach allem, was sie inzwischen über ihn wusste, war das untypisch für ihn.
»Geht es dir gut?«, erkundigte sie sich.
»Absolut.« Er ging durch die Tür und fragte dann über die Schulter hinweg: »War das dein Ernst? Wenn du die Rebellen aufspürst … Du wirst sie nicht verraten?«
»Nein«, erwiderte sie, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachdenken zu müssen. Für einen Moment schloss sie die Augen und hatte keine Mühe, sich das Massaker auszumalen, das es ohne Zweifel geben würde, wenn sie die Rebellen verriet. Sie hatte es mehr als einmal miterlebt, als Sam sie von Stadt zu Stadt durchs Ödland geschleppt hatte. Niemals würde sie mit dem Wissen weiterleben können, eine solche Zerstörung verursacht zu haben, ganz gleich, wie hoch die Belohnung dafür sein mochte. »Ich habe dir gesagt, dass ich keine Waffen an Mörder liefere. Und ich liefere auch keine Rebellen der Ermordung aus. Ich fahre meinen Truck. Ich kümmere mich um meine Angelegenheiten.«
Er schwieg einen Moment lang, und sie konnte spüren, wie er sie betrachtete. Dann sagte er: »Fahre in nördliche Richtung. Am Maori Talisman fährst du nach Nordnordwest weiter. Wenn wir mit der aktuellen Geschwindigkeit vorwärtskommen, werden wir in sechs Stunden und zweiundvierzig Minuten dort sein.«
Raina biss die Zähne zusammen. Sie musste nicht fragen,
wo
sie sein würden. Natürlich wusste Wizard, wo sie ein Rebellen-Camp finden konnten. Natürlich hatte sie eine Art Prüfung bestehen müssen, die nur er bestimmte, ehe er ihr den Weg erklärte. »Das hättest du auch sagen können.«
»Habe ich doch gerade.«
Sie glaubte, ihn leise lachen zu hören, aber vielleicht war es nur das Flüstern des Nordwinds.
Raina folgte Wizards Anweisungen und fuhr von Südosten in das Camp. Es war ein ödes Stück Land, mit niedrigen, runden Schneehütten, die verstreut zwischen ausgebombten Häusern standen, die ihre zerklüfteten grauen Betonmauerreste und verbogenen Metallrahmen in das klare Gewölbe des dunkler werdenden blauen Himmels reckten. Es waren die Überreste einer Zivilisation, die einmal Wolkenkratzer gebaut hatte. Die Sonne versank hinter dem Horizont, und der Tag hatte seine wertvollen hellen Stunden verbraucht.
Die Hunde, die an einer Seite in Zwinger gesperrt waren, warfen sich gegen die Gitter ihrer Käfige und knurrten und bellten, und die Rebellen versuchten nicht, die Wachen zu verstecken, die paarweise über das Gelände patrouillierten.
»Sie sind gut ausgerüstet«, bemerkte Raina, als sie näher kamen. Sie war sich bewusst, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, dass die Camp-Bewohner die Neuankömmlinge abschätzten und dass alle Waffen ebenfalls direkt auf sie gerichtet waren. Es waren mehr Menschen hier, als sie gedacht hätte, und das Camp wirkte überraschenderweise so, als wäre es auf Dauer angelegt. »Wollen wir hoffen, dass sie zuerst reden und später schießen.«
»Da.« Wizard zeigte auf die ausgebombten Überreste eines Gebäudes vor ihnen.
Raina fuhr darauf zu und stellte den Truck an der Seite ab. Misstrauisch kletterte sie aus der Fahrerkabine und folgte Wizard, als er selbstsicher zu einem dunklen, mannshohen Loch ging,
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