Dark Future: Herz aus Eis
beiden Wachen, an denen sie vorbeikam, zu erkennen, obwohl sie sich darüber inzwischen keine Gedanken mehr machen musste. Die Männer begrüßten sie längst mit ihrem Namen. Sie machten mit ihr Scherze über die Temperaturen. Es war seltsam; sie war schon so lange hier, dass diese Männer wussten, wie sehr sie die Kälte hasste, so lange, dass sie wusste, dass der größere der Wachmänner, Jake, gern Liebesromane aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhundert las und dass der kleinere der beiden, Sawyer, ein echter Witzbold war.
Es war ein bisschen beängstigend, dass sie sie mittlerweile gut genug kannte, um sie zu mögen.
Den Kopf gesenkt, um sich gegen die eisige Kälte zu schützen, lief sie schnell weiter. Sie ließ die Gedanken schweifen, und immer wieder kehrten sie zu Wizard zurück. Sie musste sich auf irgendetwas anderes konzentrieren.
Geld. Das war ein sicheres Thema. Aber selbst das ließ sie im Stich, und sie erwischte sich dabei, wie sie sich den Tonfall von Yurikos Stimme wieder ins Gedächtnis rief, als sie über den Geldtransfer gesprochen hatte. Woraufhin sie wieder an Wizard denken musste, denn hatte Yuriko nicht genau wie er geklungen?
Es wird zweiundsiebzig Stunden und sechsundfünfzig Minuten dauern, bis die Transaktion abgeschlossen ist.
Die Bemerkung der Kommandeurin hatte sie auf unheimliche Weise daran erinnert, was Wizard gesagt hätte.
In Rainas Augen war das, zusammen mit den verstohlenen Blicken und dem Unterton in ihrem Austausch, der Beweis, dass die beiden eine gemeinsame Geschichte hatten, ein Band aus der Vergangenheit. Aus irgendeinem Grund war der Gedanke deprimierend.
Nein. Der Gedanke war sogar mehr als deprimierend. Trotz der angenehmen Fahrten, die sie zusammen erlebt hatten, trotz der Gespräche, die sie genossen hatten, verspürte sie das Bedürfnis, Yuriko an den Haaren herumzuschleudern und sie niederzuschlagen. Wegen dieses Typs eine Schlägerei unter Frauen anzuzetteln. Und das war definitiv deprimierend. Offenbar verlor sie gerade den Verstand.
Als sie am Rand des Geländes um ein ausgebombtes Gebäude herumging, blieb sie wie angewurzelt stehen.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte sie und zog sich in die Schatten zurück, als sie Wizard und Yuriko neben einem glänzenden schwarzen Schneemobil stehen sah. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Er war zurück. Wizard war wieder zurück.
Er beugte sich zu Yuriko, und Raina schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie versuchte, die Tatsache zu ignorieren, dass es Eifersucht war, die sich dort sammelte, als sie die beiden beobachtete, wie sie die Köpfe zusammengesteckt hatten und in ein Gespräch vertieft waren.
Yuriko legte ihre Hand auf Wizards Arm und redete ernst auf ihn ein, während sie ihm in die Augen blickte. Das waren echte Gefühle, echte Zuneigung; Raina war sich sicher. Wizard machte einen Schritt auf sie zu und legte steif einen Arm um sie, um sie an sich zu ziehen. Diese Umarmung zeigte deutlich, dass Trost zu spenden ihm nicht vertraut war. Oder vielleicht war es auch ein gewisses Level von Unbeholfenheit, mit einer alten Liebe umzugehen.
Ihre Eifersucht führte mittlerweile ein Eigenleben, wand sich in ihr, und Raina atmete scharf ein. Sie war erstaunt, dass sie so empfand, und konnte nicht erklären, warum dieser Mann in ihr eine so untypische Reaktion erzeugte. Sie wollte sich gerade umdrehen, als er seine Umarmung löste und einen Schritt von Yuriko weg machte. Er wandte sich in Rainas Richtung, und sein Blick lag auf ihr, obwohl sie eigentlich im Schatten der Mauer hätte verborgen sein müssen.
Ihr fiel seine Behauptung ein, dass er im Dunkeln sehen könnte, und sie erinnerte sich daran, wie er die
Janson
-Trucks sogar in großer Entfernung hatte erkennen können. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Wizard wusste, dass sie da war, und dass er jede Nuance ihres Gesichtsausdrucks sehen konnte. Ertappt trat Raina aus dem Schatten und ging auf die beiden zu, entschlossen, ihn einfach zur Rede zu stellen.
Ihr Blick blieb einen Moment an dem Schneemobil hängen. Es war für eine Reise bepackt. Das bedeutete, dass er verschwinden würde. Wieder einmal. Offensichtlich hatte er nicht die Absicht gehabt, sie während seines kurzen Aufenthalts im Camp aufzusuchen. Und warum sollte er auch?
»Fährst du weg?« Sie bemühte sich, ihren Tonfall neutral zu halten.
»Ja.«
Sie hätte beinahe gefragt, wohin, doch vermutlich wäre es nur vergeudeter Atem. Wenn er es ihr hätte sagen wollen, dann
Weitere Kostenlose Bücher