Dark Future: Herz aus Eis
eine Erklärung. Welchen Preis musste Sam zahlen?« Sie bewegte die Finger und verschlang sie mit den seinen.
»Das Neue Kommando nahm es nicht gut auf, dass ein Commander sich den Befehlen widersetzte. Sam holte uns aus dem Labor und brachte uns so in die Welt.« Wizard schüttelte den Kopf. »Auf eine Art hat er uns gerettet. Auf eine andere Art hat er uns dazu verdammt, in einer Hölle zu leben, die schlimmer war als die begrenzte Welt, in der wir gelebt hatten. Um unser volles Potenzial zu erreichen, wurden wir …« Er verstummte und schüttelte wieder den Kopf.
»Sag es mir«, beharrte Raina, die das Gefühl hatte, es wissen zu müssen. Da war etwas, das wichtig für sie war … der Preis … Wizard … Sam … Da war etwas. »Sag es mir.«
»Wir konnten uns nicht integrieren. Wir konnten unseren Platz in dieser Welt, in die wir hineingestoßen worden waren, nicht finden. Unsere Emotionen waren nicht entwickelt. Wir konnten die Interaktionen zwischen den Menschen nicht begreifen. Wir waren von einem Computer aufgezogen worden, nachdem der Wissenschaftler, der für das Experiment verantwortlich war, gestorben war, und jeder von uns funktionierte als Wesen, das nur durch Logik gesteuert wurde. Duncan Bane sah zunächst keinen Wert in uns, und so bezahlte Sam Bowen den Preis für seinen Ungehorsam.«
»Welchen Preis?«, flüsterte Raina, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Er bezahlte unser Leben mit dem Leben derjenigen, die er liebte. Mit dem Leben deiner Mutter.« Sie fühlte sich, als hätte er sie geschlagen. Ihr Innerstes zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Worte aussprach. »Und Bane hatte sich vorgenommen, als Gegenleistung auch dein Leben einzufordern.«
»Aber ich war an dem Tag nicht da, also überlebte ich«, wisperte sie. »Warum haben sie es nicht noch einmal versucht? Warum haben sie mich nicht umgebracht? Oder Sam umgebracht?«
»Als das Neue Kommando unseren Wert als Attentäter, als Tötungsmaschinen erkannte – kein Gewissen, keine Reue –, wurde Sam verschont, obwohl er unehrenhaft aus dem Dienst entlassen wurde.«
Sie hatte geglaubt, ihr Vater wäre nach dem Tod ihrer Mutter verrückt geworden, gejagt von Dämonen. Doch jetzt begriff sie, dass mehr dahintergesteckt hatte. Wizards Worte erklärten so vieles. Plötzlich geriet ihre Welt in Bewegung, kam in Schieflage und ließ sie mit mehr Fragen zurück, als sie eigentlich gehabt hatte. Das Schlimmste war, dass sie sich nicht länger sicher war, ob sie die Antworten wissen wollte.
»Es tut mir … leid, Raina.« Wizards Stimme war leise, und die Worte kamen ihm zögerlich über die Lippen, als wären sie tief aus seinem Innern gerissen worden.
»Du hast dich selbst als Tötungsmaschine ohne Gewissen und ohne Reue bezeichnet.« Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen rannen, und als sie den Blick hob, bemerkte sie, dass er sie ansah. Alles, was er ihr erzählt hatte, alles, was sie über ihn wusste, prallte mit einem dröhnenden Krachen in ihr zusammen. »Als mir klarwurde, dass du ein Auftragskiller bist, habe ich das zuerst auch gedacht. Aber jetzt weiß ich, dass das nicht stimmt. Sag das nie wieder. Du bist keine Maschine. Du hast Gefühle. Du
hast
ein Gewissen.«
»Ich bin ein Auftragsmörder.«
»Wen hast du denn in letzter Zeit ermordet, weil es dein Auftrag war? Nicht ermordet, weil du in Notwehr gehandelt hast oder um Unschuldige zu schützen? Ermordet, weil es dein Auftrag war? Kaltblütig getötet, um einen persönlichen Nutzen daraus zu ziehen?«, wollte sie wissen. »Das ist ein großer Unterschied.«
Er schwieg.
Ein hohles Lachen entfuhr ihr. »Wir sind schon ein Paar. Ein Mann, der einen Computerchip statt eines Herzens hat, und eine Frau, deren Emotionen aus ihr herausgeprügelt wurden.« Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und wischte die verräterischen Tränen fort. Was zum Teufel war nur los mit ihr? Der großartige Sex hatte offenbar einen unsichtbaren Hahn aufgedreht, und jetzt leckte sie schlimmer als ein undichtes Rohr. »Weißt du was? Ich habe nie jemanden umgebracht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Nicht einmal Sam, obwohl ich lange Zeit geglaubt habe, dass sein Tod meine Schuld war. Ich nehme an, dass er der Meinung war, eine toughe Frau aus mir zu machen, wäre der einzige Weg, damit ich überlebe. Am Ende hat er sein Leben für mich gegeben. Er hat den Köder gespielt, damit ich flüchten konnte. Eispiraten. Plünderer. Sie haben ihn erwischt und ermordet. Ich habe
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