Dark Heart: Zweiter Band
Hank. »Jetzt wird es ein bisschen ruppig.«
Er sollte Recht behalten. Die Schneise war glücklicherweise breit genug für den Humvee. Allerdings war der schlammige Untergrund eine echte Herausforderung für jedes Gefährt, und sei es eines mit Allradantrieb. Unbeirrt fuhr Hank bergauf. Immer wieder kamen wir an Stellen, an denen ich dachte: So, hier ist Endstation. Doch Hank hatte sein Wunderauto voll im Griff. Wenn die Hinterachse wegrutscht e – und das passierte mehr als einma l –, fing er den Wagen ab. Wir wurden wild durchgeschüttelt. Es war der reinste Höllenritt. Dann stießen wir endlich auf den blauen Nissan.
»Wir dürfen nicht anhalten!«, schrie Hank gegen den aufheulenden Motor an. »Wenn wir jetzt stehen bleiben, passiert uns das Gleiche wie dem Pick-up: Wir stecken fest.«
Ich riss die Augen auf. »Was haben Sie vor?«
Hank gab mir keine Antwort. Stattdessen gab er Gas. Ich stieß einen Schrei aus, als der Humvee Jacks Wagen rammte und zur Seite schob. Der Pick-up rutschte ein Stück den Hang hinab, kippte zur Seite und blieb dann liegen. Der Dachkoffer auf der Ladefläche, den ich Jack vor seiner Abreise geschenkt hatte, rutschte wie ein weißer Schlitten zu Tal, bis er in einem Busch hängen blieb.
Aber Hank dachte offenbar nicht im Entferntesten daran, auf die Bremse zu treten. Im Gegenteil. Er versuchte den Schwung zu nutzen, den der schwere Wagen noch immer hatte. Erst als wir den Scheitelpunkt des Weges erreicht hatten und es nur noch bergab ging, verlangsamte Hank das Tempo.
»Und? Ist noch alles dran?«, fragte er mich. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet, doch er strahlte wie ein Kind, dem ein schwieriges Kunststück gelungen ist.
Ich nickte. Langsam verflüchtigte sich das flaue Gefühl in meinem Magen.
»Der Rest dürfte ein Kinderspiel sein«, sagte er und legte den ersten Gang ein.
Und es stimmte. Zwar war das Gefälle mörderisch, aber der Humvee hielt unerschütterlich die Spur. Nach einer halben Stunde hatten wir die Straße nach Telegraph Creek erreicht. Und wir sahen den gigantischen Erdrutsch, der den Weg nach Dease Lake versperrte.
Ich war froh, dass Hank und nicht ich am Steuer saß. Die Straße war nicht asphaltiert und hatte sich jetzt durch den Schneeregen in eine schlammige Piste verwandelt, die bergauf durch steile Felsen und zur Talseite hin durch einen tiefen Abgrund begrenzt wurde. Es gab keine Leitplanken. Ein einziges falsches Lenkmanöver und wir würden fünfzig Meter tief in den reißenden Stikine River stürzen. Glücklicherweise kam uns kein Auto oder Lastwagen entgegen. Die Haltebuchten, die es ermöglichten, entgegenkommendem Verkehr auszuweichen, lagen weit auseinander. Außerdem ließ sich die kurvenreiche Strecke nur schwer einsehen.
Am späten Nachmittag zogen Wolken auf und es fing wieder an zu schneien. Die Temperatur war so stark gefallen, dass der Schnee liegen blieb und langsam die Landschaft überzuckerte. Nach einer Dreiviertelstunde sahen wir die ersten Häuser.
War Dease Lake schon ein trostloses Nest gewesen, so präsentierte sich Telegraph Creek als eine armselige Ansammlung windschiefer Holzhäuser, die sich unregelmäßig über mehrere Hügel verteilten, als hätte man sie nur zufällig dort errichtet. Viele Gebäude sahen unbewohnt aus, offenbar hatten ihre Besitzer sie schon vor längerer Zeit aufgegeben. Es gab nur die Straße, auf der wir fuhren, und es war niemand zu sehen. Vor dem Stikine River Song , einem weiß gestrichenen Café, das zugleich Lebensmittelladen und Bootsverleih war, standen drei Pick-ups. Einer davon gehörte eindeutig der örtlichen Polizei. Wie auch die beiden anderen Autos hatte er platte Reifen.
Hank steuerte den Humvee bei einer kleinen Kirche am Ortseingang an den Straßenrand und schaltete schließlich den Motor aus. Sofort umfing uns eine gespenstisch wirkende Stille.
»Willkommen in Telegraph Creek«, sagte er tonlos.
Wir stiegen langsam aus. Es war kalt. Der Schneefall hatte nachgelassen, dafür zog jetzt ein Nebel auf, der die wenigen Häuser zu verschlucken drohte. Nur ihre dunklen Konturen waren noch zu erkennen. Telegraph Creek erinnerte an eine Geisterstadt und trotzdem hätte ich schwören können, dass uns jemand beobachtete. Auch Hank wirkte angespannt und nervös. Ich wusste, dass er eine Waffe bei sich trug, doch er machte keinerlei Anstalten, sie zu ziehen.
»Da!«, flüsterte ich. Hank drehte sich in die von mir gezeigte Richtung.
Mitten auf der Straße war aus dem
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