Dark Heart: Zweiter Band
bekam.
Hank lag im Wohnzimmer auf einer durchgesessenen Ledercouch und schlief wie ein Toter. Ich setzte mich neben ihn in einen Sessel und berührte sanft seine Schulter. Schläfrig öffnete er die Augen. Er lächelte, als er mich sah.
»Hallo, M s Garner. Wie ich sehe, hatten Sie Erfolg«, flüsterte er.
»Mehr oder weniger.« Ich berichtete ihm und Sam, was sich in dieser Nacht zugetragen hatte.
Hank richtete sich ein wenig auf und streckte die Hand nach dem Wasserglas auf dem Couchtisch aus, doch er war zu schwach. Ich reichte es ihm. Gierig trank er es aus.
»Wir brechen noch in dieser Nacht nach Aklavik auf«, sagte ich.
»Dann kümmere ich mich weiter um Hank«, sagte Sam. »Wenn die Straße tatsächlich morgen frei ist, kann ich ihn endlich ins Krankenhaus bringen.«
»Haben Sie eigentlich mittlerweile Kontakt zur Außenwelt aufnehmen können?«, fragte Mark.
»Ja. Der Mann vom Bautrupp hatte ein Satellitentelefon, das er uns dagelassen hat. Ich habe mit der Polizeistation in Dease Lake gesprochen und Entwarnung gegeben. Die Kollegen waren schon kurz davor, Soldaten zur Unterstützung anzufordern.«
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten«, sagte ich. »Rufen Sie meine Großmutter an und sagen Sie ihr, was geschehen ist und was wir vorhaben.«
»Natürlich kann ich das gerne für Sie erledigen«, sagte Sam. »Aber warum tun Sie es nicht selbst? Ich hole Ihnen das Telefon hinten aus dem Schrank.« Schon war sie aufgestanden und kam gleich darauf mit einem klobigen gelben Funktelefon zurück.
Nun blieb mir nichts anderes übrig, als eine unangenehme Diskussion mit Grandma durchzustehen. Ich ließ mir das Gerät erklären und wählte ihre Nummer. Es klingelte nur einmal, dann wurde abgehoben.
»Lydia?«
»Ja, ich bin’s«, sagte ich lahm und kam schon nicht mehr dazu fortzufahren.
»Warum rufst du erst jetzt an?« Sie klang aufgebracht, aber gleichzeitig erleichtert. »Hast du eine Ahnung, was für Sorgen wir uns alle gemacht haben?«
»Doch, die habe ich«, sagte ich zerknirscht.
»Was ist geschehen?«, fragte sie in jenem schneidenden Ton, den sie eigentlich für Hank reserviert hatte.
Ich entschloss mich für die Vorwärtsverteidigung und lieferte einen lückenlosen Bericht. Ich unterschlug nicht einmal, dass ich Solomon in die Falle gegangen war.
»Das war nicht dein Fehler«, sagte Grandma, wieder etwas versöhnlicher. »Ich hätte merken müssen, dass da was schiefläuft.« Sie holte tief Luft. »Nun gut, wie auch immer. Ihr kommt auf dem schnellsten Weg wieder zurück nach Vancouver.«
»Nein.«
»Was heißt ›nein‹?«, fragte Grandma überrascht.
»Es heißt, dass ich mich sofort mit Jack und Mark auf den Weg nach Aklavik mache«, sagte ich seelenruhig.
»Bist du denn völlig von Sinnen? Das ist viel zu gefährlich!«
»Ist es nicht. Solomon ist geschwächt. Wenn wir je eine Chance gegen ihn hatten, dann jetzt.« Ich war richtig stolz auf mich, dass meine Stimme so ruhig und fest klang.
»Lydi a …«
»Du wirst mich nicht von diesem Plan abbringen«, unterbrach ich sie. »Sag Mom und Dad, dass es uns gut gehe und dass ich sie liebe.« Ich drückte den kleinen roten Knopf, um die Verbindung zu beenden. Einen Moment starrte ich auf das Telefon, überrascht von mir selbst.
»Sie trauen sich einiges zu«, sagte Hank. »Ich vermute, Ihre Großmutter wollte Sie von dieser hochgefährlichen Expedition abbringen.«
»Habe ich eine andere Wahl?«
»Nach allem, was Sie uns erzählt haben? Nein.« Hank machte ein trauriges Gesicht. »Aber ich kann Sie nicht begleiten.«
»Ich weiß. Aber Mark und Jack sind bei mir.« Ich wandte mich an Sam. »Haben Sie die Nummer vom Flugplatz in Dease Lake?«
»Sie wollen eine Maschine chartern? Haben Sie denn genug Geld?«
Ich holte das Bündel alter kanadischer Dollarscheine aus meiner Jackentasche. »Ich vermute, die sind immer noch gültig.«
Sam stieß einen leisen Pfiff aus und betrachtete die Scheine genauer. »Also, soviel ich weiß, können Sie damit noch zahlen, obwohl die Serie wieder eingezogen wurde. Woher haben Sie die?«
»Es war die eiserne Reserve meines Vaters«, sagte ich.
Sam rief in Dease Lake an und wir hatten Glück. Eine zweimotorige Maschine würde ab dem frühen Morgen abflugbereit auf uns warten.
Ich verabschiedete mich von Hank. Sam begleitete mich hinaus, wo Jack und Mark bereits den Humvee beluden. Aus der Kirche war ein Choral zu hören: Die Bewohner von Telegraph Creek feierten die Rückkehr ihrer
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