Dark Heart: Zweiter Band
können ja kurz bei einer Bank anrufen, wenn Sie’s nicht glauben«, sagte ich und legte noch einmal fünfhundert Dollar drauf. »Hier. Dafür, dass Sie die Scheine später noch umtauschen müssen.«
Stew betrachtete nachdenklich den Geldhaufen. Schließlich stand er auf und gab mir die Hand. »Abgemacht.«
»Du bist wahnsinnig!«, sagte Bryant. »Was ihr da vorhabt, ist lebensgefährlich!«
»Nur, wenn wir hier noch länger herumtrödeln«, sagte Stew. Er wischte sich den Mund mit seiner Papierserviette ab und warf sie auf den Tisch. »Wo ist Ihr Gepäck?«
»In unserem Wagen draußen beim Hangar«, sagte Mark.
Um unser Gepäck umzuladen, überquerten wir im Schneetreiben das Flugfeld, das mittlerweile zur Hälfte geräumt war. Es dauerte zehn Minuten, bis Stew die Maschine startklar gemacht hatte und wir uns auf den Sitzen in der engen Passagierkabine anschnallten. Die Motoren wurden gestartet. Wir hörten, dass Stew einen hitzigen Wortwechsel mit dem Fluglotsen im Tower hatte, und das Ergebnis war, dass er einfach Gas gab und aus dem Hangar rollte. Einen kurzen Moment blieb er auf der Startbahn stehen, checkte noch einmal alle Instrumente und schlug dann die Gashebel nach vorne. Die Motoren heulten auf. Der Schub drückte uns in die Sitze, dann hob die Beechcraft ab.
Schon im Steigflug wurde die Maschine im Sturm hin und her geworfen, sackte mehrmals wie ein Stein in ein Luftloch oder rutschte plötzlich seitwärts weg. Es war der reinste Höllenritt. Vergebens suchte ich nach einer Spucktüte und hoffte inständig, dass ich mich nicht übergeben musste. Auch Jack hatte die Armlehne seines Sitzes umklammert und die Augen geschlossen. Ich ergriff über den Gang hinweg seine Hand. Er sagte etwas, doch der Lärm der Motoren schluckte seine Worte. Erst als die Maschine ihren Steigflug beendet hatte und in eine horizontale Lage kam, wurde es ruhiger.
»Alles okay dahinten?«, meldete sich der Pilot über die Bordanlage. »Eine Hürde haben wir erst mal hinter uns. Ruppig wird es erst wieder, wenn wir in Aklavik landen, aber da sage ich noch rechtzeitig Bescheid.« Es knackte im Lautsprecher. Erst ein Mal, dann ein zweites Mal. »Ach ja, falls jemand Hunger haben sollte: Unter den Sitzen befinden sich Lunchpakete. Thunfischsandwich mit Majonäse. Hab ich selbst belegt.«
Dann begann Musik aus den Lautsprechern zu plärren, es war die seltsam schnarrende Stimme eines Folksängers. Der Refrain passte leider nur zu gut zu unseren Kamikaze-Kurs: Knock, knock, knockin’ on heaven’s door .
Stew hatte nicht zu viel versprochen: Die Maschine flog nun tatsächlich etwas ruhiger und irgendwann hatte das Schaukeln eine einschläfernde Wirkung auf uns. In den letzten Tagen hatte ich kaum drei Stunden pro Nacht geschlafen. Ein Blick über die Vorderlehne verriet mir, das Mark schon eingenickt war. Und auch Jacks Kopf war zur Seite gefallen, er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, die Augen geschlossen.
Ich zog meine Jacke aus, deckte mich damit zu und holte aus der Brusttasche die Ohrstöpsel, die mir Hank gegeben hatte. Wenig später glitt ich in einen seltsamen Traum, einen Albtraum.
Ich rannte durch einen Schneesturm und es war so kalt, dass meine Wangen sich ganz taub anfühlten. Etwas war mir auf den Fersen. Ein Schatten. Ein Dämon. Charles Solomon. Masau.
Emilia Frazetta sprach mir Mut zu, George Dupont wisperte Gemeinheiten in mein Ohr. Kyle Tenbury flehte um Gnade, doch ich konnte ihm nicht helfen, denn ich war zu sehr mit meiner eigenen Panik beschäftigt.
Solomon kam näher. Ich stolperte immer wieder, fiel der Länge nach in eine Wehe, nur um gleich aufzuspringen und atemlos weiterzulaufen. Die Welt war in Aufruhr. Holz splitterte, Bäume fielen mit einem lauten Krachen. Dann hörte ich eine Sirene aufheulen und riss die Augen auf.
Durch das Fenster sah ich Positionslichter im Schneetreiben blinken, kaum sichtbar. Mehrmals gab es einen heftigen Schlag und das Flugzeug sackte nach unten weg. Glücklicherweise waren wir alle angeschnallt, sonst wären wir wahrscheinlich an die Kabinendecke geflogen. Der für den Abend angekündigte Sturm hatte die Beaufortsee offensichtlich früher erreicht.
»Okay, Leute!«, schrie Stew über den Bordlautsprecher. »Das wird jetzt etwas ungemütlich! Wir sind im Landeanflug auf Aklavik, in fünf Minuten sollten wir unten sein!«
Es gab einen Schlag, vermutlich wurde das Fahrwerk ausgefahren. Die Maschine verlor plötzlich an Geschwindigkeit und fiel ein gutes
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