Dark Heart: Zweiter Band
vampirischen Eigenschaften besessen hatte.
»Wann wollen Sie Martha beisetzen?«, fragte ich.
»Morgen Früh«, sagte Sam und legte ihre Hand auf meine Schulter, als ich mir über die Augen wischte. »Sie haben sie gemocht, nicht wahr?«
»Wir hatten etwas gemeinsam. Aber lassen Sie uns jetzt gehen.«
Als wir vor die Haustür traten, standen Mark und Jack mit Brett auf der Veranda, so als hätten sie nur auf mich gewartet.
»Alles in Ordnung mit euch?«, fragte ich. Und dann sah ich, dass draußen auch die Nachtgeschöpfe standen, die wir nach Telegraph Creek zurückgebracht hatten. Die Frau, die vorhin ihr Kind und ihren Mann in die Arme geschlossen hatte, trat vor.
»Wir haben eine Entscheidung getroffen«, sagte sie. »Wir möchten zurück zu unseren Familien. Und zwar als Menschen.«
Jack schwieg und auch auf Marks Gesicht war keine Reaktion abzulesen.
»M r Valentine und M r Dupont haben berichtet, wie sich ihr Leben nach der Verwandlung verändert hat, von den Nachteilen und den Vorteilen«, fuhr die Frau fort. »Sie haben uns gut beraten. Aber unsere eigenen schrecklichen Erfahrungen draußen in der Wildnis, der quälende Drang zu jagen, die Kälte, die Einsamkeit, all das hat in uns nur einen Wunsch geweckt: nie wieder dorthin zurück. Nie das Leben eines Ausgestoßenen führen.«
»Wenn es Ihr freier Wille ist, akzeptiere ich die Entscheidung.«
»Ja, es ist unser freier Wille«, sagte die Frau.
Ich räusperte mich. »Dann müssen Sie rasch von meinem Blut trinken. Jetzt. Sofort.«
»Aber doch nicht einfach hier, mitten auf der Straße«, sagte die Frau entsetzt. »Wir machen es am besten in der Kirche.«
»Nein!« Ich schüttelte sehr energisch den Kopf. »Kommt überhaupt nicht infrage!«
»Wir dachten an eine kleine, würdige Feier«, sagte die Frau unbeirrt.
»Auf gar keinen Fall!«
»Es wäre doch passend, die Zeremonie in der Kirche zu vollziehen«, sagte ein anderes Nachtgeschöpf hinter ihr, ein hochgewachsener Mann mit hungrigem Blick.
»Das werde ich nicht tun!«, schrie ich ihn an.
»Ihr Blut reinigt uns. Es vertreibt das Böse in der Welt!«
»Mein Blut verwandelt sie lediglich in das zurück, was Sie vorher waren: in einen Menschen! Das ist alles. Und Nachtgeschöpfe sind gewiss nicht das Böse. Sie sind keine Dämonen oder dergleichen.«
Die Vampire schauten mich stumm an.
»Nein! Das ist mein letztes Wort! Ich werde Ihnen mein Blut zur Verfügung stellen. Aber nicht in irgendeiner Zeremoni e – und schon gar nicht in einer Kirche.«
Die Frau nickte enttäuscht.
Wutentbrannt lief ich mit Sam und Brett zur Polizeistation, während Jack und Mark bei den Nachtgeschöpfen blieben.
»Sie müssen sie verstehen«, sagte Sam, während sie einen Erste-Hilfe-Schrank öffnete. »Sie stehen noch unter Schock. Eine feierliche Zeremonie könnte ihnen dabei helfen, das Grauen, das sie erlebt haben, besser zu verarbeiten.«
»Nicht mit mir«, sagte ich wütend. »Haben Sie eine Vorstellung, was das für ein Bild gäbe? Ich in der Kirche und Nachtgeschöpfe, die mein Blut trinken? Im Ernst, das geht mir zu weit!«
Sam öffnete eine Plastikpackung und steckte eine sterile Nadel auf eine Spritze. »Kann sein, dass es ein wenig wehtut. Ich habe das schon lange nicht mehr gemacht.«
Erst beim dritten Anlauf fand sie die Vene und zog die Spritze mit der dunkelroten Flüssigkeit auf. »So«, sagte sie und drückte einen mit Alkohol getränkten Tupfer auf die Einstichstelle. »Das war’s. Und Sie sind sicher, dass Sie es ihnen nicht selber verabreichen wollen?«
»Absolut sicher.« Ich stand auf und krempelte die Ärmel meines Pullovers wieder herunter.
Sam übergab Brett die Spritze, der sie sogleich hinausbrachte.
»Wo ist Hank?«, fragte ich Sam.
»Kommen Sie mit.«
Sam wohnte im Haus neben der Polizeistation. Die Einrichtung war recht karg, überall war Unordnung, auf der Küchentheke stand ungespültes Geschirr. Man hatte den Eindruck, hier kam selten oder nie jemand zu Besuch.
»Heute war ein Mann vom Bautrupp im Ort. Morgen Früh sind die letzten Reste des Erdrutsches beseitigt.« Sam stellte eine Espressokanne auf einen kleinen Gaskocher. Sie klang nicht so, als würde sie diese Nachricht besonders glücklich machen. »Ich habe ihm nicht erzählt, was in den letzten Tagen geschehen ist. Er hätte es mir ohnehin nicht geglaubt.«
Die Kanne gurgelte und sie schenkte mir einen Kaffee ein, der so stark war, dass ich schon nach dem ersten Schluck einen gehörigen Adrenalinschub
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