Dark Inside (German Edition)
Wütende Leute. Verbittert. Vergessen.
Sie waren leicht zu füllen.
Drei Wochen später
MICHAEL
»Und? Was hältst du davon?«
Das Fernglas hatte einen Sprung und Michael sah die Welt in zwei Hälften, die beide farblos und leicht unscharf waren. Es irritierte seine Augen und er musste blinzeln, damit die Welt wieder normal aussah.
Was er davon hielt? Kurz vor Mittag hatten sie die Ranch entdeckt. Fast hätten sie das Haus übersehen, da der größte Teil davon hinter einer dichten Wand aus Nadelbäumen stand.
»Also, was ist?« Evans stieß Michael seinen Finger gegen die Schläfe. So fest, dass er dessen Aufmerksamkeit bekam.
»Leer.« Michael kratzte sich am Kopf und hob das Fernglas wieder an die Augen. Sie beobachteten das Haus jetzt schon seit mehreren Stunden, versteckt in den Büschen. Im Innern war keine Bewegung auszumachen, doch das hatte nichts zu bedeuten. Inzwischen war nichts mehr völlig leer und unberührt. Aber da sie jetzt schon ein ganzes Stück von der Stadt entfernt waren, bestand immerhin die Möglichkeit, dass die anderen sich nicht mehr die Mühe machten, so weit herauszukommen. Sie hatten seit Tagen keinen von ihnen gesehen. Es war gut möglich, dass sie eine freie Zone erreicht hatten. »Denkbar wäre es zumindest«, fügte Michael schließlich hinzu. »Wir sollten es uns ansehen.«
»Und wenn es sich nicht lohnt?«
»Wir können auf die Gelegenheit nicht verzichten. Vielleicht haben wir ja Glück.« Sie hatten nichts mehr zu essen, seit sie sich vor zwei Tagen die letzte Packung Cracker zum Abendessen geteilt hatten. Sie hatten überlegt, ob sie jagen gehen sollten. Es gab eine Menge Wildtiere in der Gegend, doch ein offenes Feuer zum Kochen war zu riskant. Sie konnten es nicht darauf ankommen lassen, dass jemand durch den Rauch auf sie aufmerksam wurde. Sie saßen in der Klemme. Wann es die nächste Mahlzeit gab, war völlig ungewiss. Außerdem hatten sie ein Kind bei sich. Vor einigen Tagen, als sie ein verlassenes Holzfällercamp durchsucht hatten, waren sie auf eine Mutter mit ihrem vierjährigen Sohn gestoßen. Es war ein Wunder, dass die beiden überlebt hatten. Doch das Kind war schwach und krank und Michael glaubte nicht, dass es ohne Nahrung noch lange leben würde. Vermutlich brauchte es auch Medikamente.
»So etwas wie Glück gibt es nicht mehr.«
Michael antwortete ihm nicht. Jeder von ihnen hatte Erinnerungen, die ihn quälten. Vor drei Wochen hatten sie Evans’ Haus erreicht, doch seine Frau und seine kleine Tochter waren nicht da gewesen. Jemand hatte die Haustür eingetreten und der Teppich war blutverschmiert. Sie hatten nie herausgefunden, was geschehen war.
»Ich denke, wir sollten das Risiko eingehen.« Billy, eines der anderen Mitglieder ihrer Gruppe, kam mit einem Satz von hinten dazu. Als er auf der weichen Erde neben Michael landete, riss er ihm mit einer schnellen Bewegung das Fernglas aus der Hand und blickte hindurch. »Das Ding hier ist doch völlig nutzlos. Wie hast du es bloß geschafft, zwei Stunden lang da durchzustarren? Ich hätte mich erschossen.« Er gab Michael das Fernglas zurück und kratzte sich an seinem Ziegenbärtchen. »Jetzt mal im Ernst – der Kleine sieht gar nicht gut aus. Wir müssen etwas tun, und zwar schnell, sonst ist er bis zum Einbruch der Dunkelheit tot.«
»Ich weiß«, erwiderte Michael. »Aber wir können da erst rein, wenn wir absolut sicher sind, dass uns keine Gefahr droht.«
»Wir sind schon seit Stunden hier«, wandte Billy ein. »Wenn sie dort drin wären, hätten wir sie doch gesehen. Die Hetzer sitzen doch nicht einfach so rum und warten drauf, dass wir uns zu Tode langweilen. Sie hätten uns schon längst überfallen.«
Hetzer. Ein Begriff, der aus dem Jagdjargon abgeleitet wurde. Bei der Hetzjagd wird die Beute so lange verfolgt, bis sie schließlich ermüdet ist und erlegt werden kann. Nur dass die Hetzer nicht hinter Wild her waren. Vor ein paar Tagen hatte Billy das Wort zum ersten Mal benutzt. Er hatte gehört, wie irgend so ein armer Kerl es geschrien hatte, kurz bevor er von einem der Ungeheuer in Stücke gerissen worden war.
»Ja, vielleicht.«
»Wie weit sind wir von der nächsten Stadt weg?« Billy kratzte sich schon wieder. Ihnen allen juckte die Haut. Duschen war ein Luxus, den sich niemand mehr leisten konnte.
Evans zog zum zehnten Mal in einer Stunde die zerknitterte Landkarte aus der Tasche. »Schwer zu sagen. Wir wissen immer noch nicht genau, wo wir sind. Es könnten ein paar Kilometer
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