Dark Lord. Immer auf die Kleinen! (German Edition)
spüren, wie er sich auflud! Sie musste nur ihre Vorstellungskraft spielen lassen… so… ja, so… gleich würde es losgehen! Doch im letzten Moment besann sie sich. Schließlich wollte sie niemanden verletzen.
Die Speerträger standen abwartend hinter ihrem Anführer, unsicher, wie sie reagieren sollten. Allmählich kam wieder Leben in Rufino, der zunächst wie erstarrt gewesen war. Benommen rappelte er sich hoch und nahm seinen Helm ab.
Böse funkelte er Gargon an. »Wenn ich gewusst hätte, dass sie die Macht des Rings beherrscht, wäre ich mit einer größeren Armee angerückt«, sagte er.
»Nun, jetzt weißt du’s«, fuhr Agrasch ihn schnippisch an. »Du solltest dich besser ergeben, sonst bläst sie euch noch zurück bis nach Gam!«
Rufino zog die Stirn kraus. Wäre er allein gewesen, hätte er es darauf ankommen lassen, und wenn sie ihn geschlagen hätte, wäre es immerhin ein ruhmreicher, ehrenvoller Tod gewesen. Doch er musste an seine Männer denken. Bei einem Kampf würde die Macht des Rings viele von ihnen in Sekundenschnelle niederstrecken. Sich der Dunklen Macht zu ergeben, bedeutete andererseits meistens Tod oder Versklavung. Ihn würden sie wahrscheinlich töten und seine Männer zu Sklaven machen. Außer dass dieses Mal Hasdruban kommen würde. Wahrscheinlich schon bald. Er hatte den Dunklen Lord besiegt und diese Dunkle Lady würde er mit Sicherheit auch besiegen. Und dann würde der Weiße Zauberer Rufinos Männer befreien.
Rufino seufzte. Er hatte in seinem Leben schon zu viele Schlachten, zu viel sinnloses Sterben erlebt. Vielleicht war es das. Er hatte auf einen schnellen Überraschungsangriff gesetzt, aber die Rechnung war nicht aufgegangen. Auch gut. Zeit, Schadensbegrenzung zu betreiben. Er ließ sein Schwert fallen und bedeutete seinen Männern, ihre Waffen niederzulegen.
»Wir ergeben uns«, sagte er. Jetzt, wo sie sich sicher fühlen konnten, kamen auf einmal wie auf ein Stichwort die Wichtel von allen Seiten herbeigelaufen. Schnatternd und kichernd, wie es ihre Art war, sammelten sie die Waffen ein.
Bald türmte sich ein riesiger Waffenberg vor Suus’ Füßen. Majestätisch ließ sie ihren Blick über das Schlachtfeld wandern und fragte sich im Stillen, was sie als Nächstes tun sollte.
»Sollen wir sie alle erschlagen oder nur den Edlen Ritter?«, brummte Gargon.
»Nein! Nein. Wir werden niemanden töten. Selbstverständlich werden wir Gnade walten lassen«, erklärte Suus.
»Gnade? Meint Ihr wirklich? Na schön, wie Ihr befehlt, Herrin«, sagte Gargon.
Rufino hob die Augenbrauen. Das war ja eine höchst erstaunliche Wendung!
»Das heißt also, wir machen sie zu unseren Sklaven? Lassen sie in den Gruben der endlosen Qualen schuften«, sagte Agrasch.
»Nein, nein, wir werden sie nicht versklaven!«, gab Suus schockiert zurück. »Hier wird es von nun an keine Sklaverei mehr geben, verstanden?«
»Keine Sklaverei? Oh… also… ähm… Wie Ihr befehlt, Dunkle Königin«, stotterte Agrasch.
»Gargon, sorg dafür, dass unsere Wichtel ihnen zu trinken und zu essen geben, während ich mich mit Rufino unterhalte«, sagte Suus. »Agrasch, du kommst mit mir. Und bring dein Notizbuch mit.«
»Ja, Herrin«, sagte Agrasch.
Rufino starrte sie ungläubig an, als traue er seinen Ohren nicht.
Suus ging auf ihn zu. »Und jetzt werden wir eine Art Friedensvertrag ausarbeiten. Mal sehen, ob wir nicht auch ohne all das lächerliche Gekämpfe zusammen leben können…«
AM HOFE DER MONDKÖNIGIN
»Wie geht es mit der Wiederveröffentlichung unseres Nachrichtenblattes voran, Agrasch?« Suus hatte es sich auf ihrem Totenschädel-Thron bequem gemacht. Wie zur Untermalung ihrer Frage gab der Thron ein neugieriges Raunen von sich. Suus grinste, allmählich gewöhnte sie sich an dieses verrückte Sitzmöbel.
»Ich habe hier die erste Ausgabe, Dunkle Herrin. Das Tagesmassaker ist wieder zu haben!«, erklärte Agrasch begeistert und reichte ihr das einseitige Nachrichtenblatt.
Suus nickte. »Es gefällt mir, Agrasch, aber können wir mit dem Datum nicht etwas machen?«
»Ah, ich verstehe, Herrin, in der nächsten Ausgabe wird es so sein, wie Ihr es wünscht.«
Suus hielt Hof. Und das jetzt schon seit mehreren Tagen. Am Anfang hatte es ja noch Spaß gemacht, aber nun artete es allmählich in Arbeit aus – nicht nur dass sie schwierige Entscheidungen treffen musste, sie hatte ein Königreich zu regieren. Oder Königinreich, wie sie es lieber nannte.
Das Tagesmassaker
15. Tag des
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