Dark Love
Dann hechtete ich zum Bug und beugte mich neben der Statue der Black Alice über die Reling.
»Siehst du jemanden?«, rief Bram hinauf.
»Nein!«, musste ich antworten.
Wo zum Teufel steckte sie?
In jedem Schatten lauerte die Gefahr, in Stücke gerissen zu werden.
Das Komische daran war, dass ich mich allmählich daran gewöhnte. Alles nichts Besonderes mehr.
Es beeindruckte mich, dass Michael die Aufgabe übernahm, voranzugehen und uns durch die Straßen zu führen, und das, wo doch ich diejenige war, die von uns allen am meisten Zombie-Nahkampf-Erfahrung hatte – mit nur einem einzigen Zombie zwar, aber immerhin. Okay, vielleicht war Michael also nicht der Allerklügste, aber definitiv ein echter Gentleman. Sollte Nora doch denken, was sie wollte.
Der Einzige, der vor sich hin wimmerte, war Isambard. Bei jedem Flackern der Laternen zuckte er zurück und er erschrak bei jedem noch so leisen Rascheln. Vespertine, die immerhin gerade erst erfahren hatte, womit wir es hier zu tun hatten, war wesentlich gefasster als er. An irgendeinem Punkt wurde es ihr zu viel und sie packte Isambard am Kragen wie zuvor schon Michael. »Gehört der hier zu Ihnen?«, zischte sie mir zu.
»Mein Bruder Isambard«, erklärte ich ihr.
Sie schüttelte ihn leicht wie einen ungezogenen Welpen. »Stell das ab. Es wird uns noch alle umbringen.«
Isambard wehrte sich. »Hey!«
»Issy.« Ich sah ihn scharf an. »Still. Miss Mink, bitte lassen Sie ihn los.«
Vespertine nickte hoheitsvoll und lockerte ihren Griff. Sofort hastete er an meine Seite.
»Wir kommen an eine Kreuzung«, sagte Michael.
Vorsichtig zog ich den Bogen von meinem Rücken und legte einen Pfeil an die Sehne, spannte sie jedoch noch nicht. »Lassen Sie mich vorausgehen.«
Michael sah sich zu mir um und nickte, als er erkannte, was ich vorhatte. Er presste sich gegen eine Hauswand zu unserer Linken und ich übernahm seinen Platz an der Spitze.
Als wir zur Hausecke kamen, hielt ich inne und spähte über die Straße vor uns. Nichts. Ich konnte direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite den Sportwarenladen erkennen.
»Wir müssen die Straße überqueren. Auf drei, alles klar?«
»Alles klar«, antwortete Michael.
»Eins, zwei …«
Michael packte mich an der Schulter und ich ließ vor Schreck beinahe den Bogen fallen. »Warten Sie!«
Ich stolperte ein paar Schritte rückwärts und fühlte Michaels Atem an meinem Ohr, als er mir etwas zuraunte. »Auf ein Uhr.«
Ich hielt Ausschau danach, was er meinte. Dort, in den Schatten auf der anderen Straßenseite, schlurfte ein Zombie an einigen blechernen Mülltonnen vorbei. Es war ein junger Mann, er trug einen langen Straßenräuberumhang und einen Pferdeschwanz, der von einem schmutzigen Band gehalten wurde.
»Was sollen wir tun?«, wisperte ich.
»Zurück«, sagte Michael und verstärkte den Griff um meine Schulter. »Kommen Sie schon.«
Ich fühlte, wie er sanft an mir zog, doch ich blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete den Zombie. Ich wagte es nicht, zu rufen. Diese Idee war kurz durch meinen Kopf gegeistert, doch ich verwarf sie. Selbst wenn es sich dort um einen »zivilisierten« Zombie handelte, war das Risiko einfach zu hoch. Wir mussten zum Sportladen. Das Haus war zweistöckig, wir konnten also auf dem Dach warten. Was könnte sicherer sein als ein Sportladen? Es war der Waffentopf am Ende des Regenbogens.
Ich würde nicht zulassen, dass ein jämmerlicher Zombie uns den Weg versperrte.
Ich packte den Bogen fester und spannte die Sehne.
»Miss Roe, was tun Sie denn da?«
»Wir müssen zum Laden«, erklärte ich ihm und zielte.
»Sind Sie verrückt?«
Seine fassungslose Stimme war laut genug, um die Aufmerksamkeit des Zombies zu erregen. Er fixierte uns und räumte jeden Zweifel an seiner Zivilisiertheit aus, indem er mit wehendem Umhang und einem schrillen Jagdgeheul auf mich zustürzte.
»Vielen Dank auch, Mister Allister«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen.
Er bohrte sich genau durch den offenen Mund des Zombies, ein Treffer, den ich vermutlich niemals wiederholen könnte, egal, wie hart ich trainierte. Er fiel an Ort und Stelle, doch es floss kein Blut. Er zuckte noch ein paar Mal und lag dann still.
Zwei von zwei. Ich bin die Königin der Zombiejäger! Schreibt das auf eine Gedenktafel.
Mit wild klopfendem Herzen zog ich mich zu unserer kleinen Truppe zurück. Michael drehte mich grob um und rüttelte mich. »Sie kleiner
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