Dark Love
Gesicht. »Wir müssen uns immerhin beeilen, oder?«
»Herumgeschraubt?«, hakte Bram nach. Langsam ließ er die Hände sinken und wandte sich zu Renfield um. »Woran genau hast du herumgeschraubt?«
»Nur ein bisschen herumgeschraubt eben. Den Regulator rausgenommen und so. Ich hab dir ja gesagt, dass einige Teile rausmüssen. Du warst dabei!«
»Den was?«, fragte ich.
Bram starrte Renfield an und sein Gesicht wurde vollkommen ausdruckslos. »Du hast was? Ich habe nicht gesehen, dass du … du hast was?«
»Was ist ein Regulator?«
»Das hast du nicht!«, sagte Tom ehrfürchtig. »Du hast nicht ernsthaft einen Teil des Motors am Boden zurückgelassen?«
Renfield seufzte und wandte sich an mich. »Der Regulator in einem Luftschiffmotor begrenzt den maximalen Druck, den der Motor erzeugen kann«, erklärte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wenn sich zu viel Druck aufbaut, entlässt der Regulator ihn durch ein Ventil. Aber genau dieser Druck treibt uns voran. Also habe ich uns wesentlich schneller gemacht, indem ich den Regulator ausgebaut habe.«
»Bis uns das Ding um die Ohren fliegt!«, brüllte Bram. »Weil du das Sicherheitsventil ausgebaut hast!«
»Du hast das Schiff in eine verdammte Todesfalle verwandelt«, fiel Tom mit entsetzter Miene ein.
»Es ist überhaupt nicht gefährlich. Wir müssen eben nur selbst auf den Motordruck aufpassen, das ist alles! Vertraut mir, sie hält das aus!«
»Oh, bitte, bitte, jag uns nicht in die Luft«, flehte ich und sank neben dem Steuerrad auf eine Kiste.
»Ich werde euch nicht in die Luft jagen!«, seufzte Renfield. Er wandte mir den Rücken zu und rückte einige der Druckmessgeräte zurecht, um sie besser im Auge zu haben. »Vertraut mir einfach.«
Chas ging zu Tom, um zu sehen, ob er in Ordnung war. Ich sah zu Bram auf. »Ist das schlimm?«
Langsam nickte er. Ihm standen buchstäblich die Haare zu Berge. Er erwiderte meinen Blick und plötzlich weiteten sich seine Augen. »Ähm, Nora …«
»Was?«
Er hüstelte und gestikulierte in meine Richtung. Ich verstand gar nichts. Er deutete noch eindringlicher auf meinen Rock und endlich sah ich an mir hinab. Der Rock hatte sich in den Petticoats verfangen und war hoch gerutscht. Alle Welt konnte jetzt sehen, dass ich darunter weiße Pluderhosen trug. Hastig zog ich den Rock herunter und errötete. Bram lachte und endlich lag kein Zynismus mehr darin – es klang wieder fröhlich.
»Du lachst«, stellte ich betont fest.
Bram suchte nach den richtigen Worten. »Ja, es ist schon schlimm«, erklärte er dann, »aber so schlimm nun auch wieder nicht. Wir müssen einfach auf den Motor aufpassen, wie Ren gesagt hat, und sobald wir gelandet sind, müssen wir ihn verprügeln. Auf jede nur erdenkliche Weise. So lange, bis nur noch ein blutiger Klumpen von ihm übrig ist.«
»Das habe ich gehört«, grummelte Ren.
»Und was hat es mit diesem ganzen Frage-und-Antwort-Spiel auf sich?«, fragte ich, um uns beide von der Tatsache abzulenken, dass wir vielleicht hier oben sterben würden. Und davon, dass ich mich gerade vor ihm entblößt hatte. Meine Mutter wäre wirklich stolz auf mich!
Er zuckte mit den Schultern und versuchte mit einer Hand sein Haar zu ordnen, ohne das Steuerrad loszulassen. »Es bringt einen auf Trab und regt zum Nachdenken an. Da draußen kann man sich keine Dummheiten leisten.«
»Du machst das sehr gut.«
Er lachte wieder. »Ich schätze, dazu werden arme Punks erzogen. Das Okay-aber-was-wenn-Spiel. Was, wenn uns die Ernte verhagelt? Okay, aber was, wenn wir uns nichts leihen können? Okay, aber was, wenn Onkel Ben uns keine Arbeit gibt oder uns nicht aufnimmt?«
»War dein Leben dort wirklich so hart?«
»Manchmal schon«, antwortete er und öffnete ein Fach neben dem Fenster. Darin befand sich eine Reihe von Navigationsinstrumenten. Keines davon war digital. Ich konnte kleine Messinggloben mit beweglichen Teilen an einer senkrechten Achse erkennen, außerdem noch Sternhöhenmesser und einige Kompasse. Er griff nach einem der Letzteren.
Ich verschränkte die kalten Finger im Schoß. Wann immer ich mit Bram redete, schien es mich aufzuheitern, egal in welcher Situation. Aber jetzt musste ich mich um Pam sorgen und begann, mich allmählich schuldig zu fühlen, weil ich mich so ablenken ließ.
Ich richtete meine Gedanken auf sie und konzentrierte meinen Willen darauf, dass sie sicher war und auf dem Dach auf mich wartete, wie sie es gesagt hatte. Ich überlegte, was sie wohl gerade sah,
Weitere Kostenlose Bücher