Dark Love
noch immer Dearly jagten und sich an der Tür sammelten. Ich konnte Dearlys Brüllen hören, als wir näher kamen, doch ich verstand ihn nicht, bis ich durch die Tür war. Tom und Chas versperrten den Eingang mit ihren Körpern und sicherten uns so den Rückzug. Das alles geschah unglaublich schnell und doch kam es mir vor, als bewegten wir uns in Zeitlupe.
»Das war nicht Averne!«, brüllte Dearly und rammte seine Krücke immer wieder in den Boden. »Das war nicht Averne! Das war Henry! Henry! «
»Was?« Ich verstand nicht.
Dearly deutete auf einen Lebenden, der gefesselt in einer Ecke lag. »Wir haben Averne gefangen genommen! Henry hat sich seine Kleider angezogen, damit die Soldaten nichts merken!«
Ich sah auf den Uniformierten hinab, der tot im Salz lag. Langsam näherte ich mich ihm und zog den Schal herunter. Ein Zombie mit verbrannter Haut und leblosen Augen kam zum Vorschein.
»Verdammt«, keuchte ich.
Tom warf einen Blick über die Schulter und ich erkannte eine ganze Reihe von Emotionen, die über sein Gesicht flogen. Plötzliches Begreifen, Schuld und grimmige Akzeptanz. »Bram, übernimm du hier!« Er trat aus der Tür und ich füllte die Lücke, bevor ich wusste, was er vorhatte. »Kommen Sie, Doc. Ich bringe Sie zu Ihrer Tochter.«
»Nora? Nora ist hier ?« Dearlys Körper bebte und in seinen Augen stand wilde Trauer.
»Jep, schön wie eine Rose und in freudiger Erwartung, Sie wiederzusehen«, brummte Tom. Ohne erst lange um Erlaubnis zu fragen, warf er sich Dearly über die Schulter. Es dauerte etwas, bis er seinen Passagier sicher ausbalanciert hatte, dann sah er uns an. »Gebt ihr mir Deckung?«
»Ja«, antwortete ich. Als ich den Durchgang frei machte, ruhte mein Blick für einen Moment wieder auf dem unschuldig Gefallenen namens Henry. Was hatten wir nur getan?
»Okay, dann los.« Tom hielt am Eingang kurz inne und küsste Chas. »Ich sehe dich, wenn du nach Hause kommst.«
»Bleib nicht extra auf«, erwiderte sie mit falscher Fröhlichkeit, während sie ein neues Magazin einlegte.
Als er eine Lücke erkannte, verließ Tom den Schutz des Gebäudes. Der Kampf war noch immer in vollem Gange und unsere Männer wurden von mehreren Seiten angegriffen. Tom rannte so schnell, wie seine Größe und seine Last es zuließen, und hielt dabei den Kopf gesenkt. Chas und ich nahmen unsere Positionen ein und erledigten jeden, der auf die brillante Idee kam, ihn angreifen zu wollen.
Doch den Kugeln konnte er nicht davonlaufen.
Ich weiß nicht, wer ihn erwischte. Vielleicht sogar versehentlich jemand von unserer Seite? Oder diejenigen unter Avernes Männern, die noch Waffen und genug Verstand besaßen, sie abzufeuern? Als er nur noch etwa zwanzig Meter vom Schiff entfernt war, sah ich, wie seine Beine einknickten, sah ihn wanken und zusammenbrechen, Dearly noch immer über seiner Schulter. Chas schrie seinen Namen und ich musste sie packen und festhalten. Sie hätte ansonsten ihre Waffe fallen lassen und wäre ihm nachgestürzt.
»Tom! Tom!« , tobte sie .
»Wenn du da rausrennst, kriegen sie dich auch!«, brüllte ich. » Denk nach! Hilf mir schießen!« Aber sie war völlig außer sich und ich konnte sie nicht loslassen. Ich konnte nur zusehen, wie Renfield und Ben vom Schiff sprangen und Dearly an Bord halfen. Nora erwartete ihn auf Deck und ich musste alle Kraft zusammennehmen, um nicht ebenfalls loszustürzen. Sie musste in Deckung , sie musste hier weg …
Ben sprang wieder vom Schiff, sobald Dearly an Bord war, und half Tom auf die Füße. Tom hinkte hinter ihm die Gangway hinauf. Etwas Gefühl kehrte in meine Arme zurück und ich schüttelte Chastity, um sie wieder zur Besinnung zu bringen.
»Tom ist in Ordnung! Sie haben ihn nicht in den Kopf getroffen! Schau hin, Chas, es geht ihm gut!«
Sie tat es und wurde in meinen Armen schlaff. »Oh, Gott sei Dank, Gott sei Dank …«
Wir sahen zu, wie das Schiff abhob. Ich hätte laut singen können. Chas erholte sich wieder etwas und sah mich an, sie lächelte erleichtert. »Punkt für …« Ihr Gesicht verzerrte sich. »Hinter dir!«, schrie sie.
Ich wandte mich um, gerade als Averne mir den ersten Fausthieb versetzte. Meine Waffe schlitterte über den Boden davon. Er hatte sich von seinen Fesseln befreit und stand jetzt vor Zorn grässlich verkrümmt vor uns, als würde seine Haut jeden Moment der brodelnden Wut, die aus seiner Seele emporstieg, nachgeben und bersten.
Mit einem barbarischen Aufschrei stürzte er sich auf mich. Ich
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