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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Flüssigkeit auch wieder ablaufen kann. Charles verabreichte mir das Zeug ohne großes Trara und mit der Geschicklichkeit eines Mannes, der diese Prozedur schon tausendmal erledigt hatte.
    Während Charles arbeitete, wanderte mein Blick über den Medizinschrank. Alles hier war aus glänzendem, auf Hochglanz poliertem Stahl und ich konnte nicht verhindern, dass ich einige Male mein Spiegelbild auffing. Heute betrachtete ich es noch missmutiger als gewöhnlich. Meine Haut ist marmorweiß, unvorstellbar blass – nicht aus Mangel an Sonne, sondern aus Mangel an Blut – und sie spannt sich eng über meine Gesichtsmuskeln. Meine Augen waren einmal blau, aber jetzt sind sie milchig trüb. Ich habe noch immer meine Haare. Sie sind zwar langweilig braun, aber hey, manche verlieren ihre Haare auch, wenn sie sterben. Ich sollte mich also glücklich schätzen.
    »Dann habt ihr das Mädchen also?«
    »Wie?«
    Er lächelte. »Die kleine Dearly.«
    »Oh. Ja.«
    »Kleiner Tipp gefällig? Lass sie erst mal deine Stimme hören, bevor sie dich sieht. Das könnte helfen.«
    »Dafür ist es ein bisschen zu spät.«
    »Sie hat dich gesehen?«
    »Sie stand auf dem Dach und hat auf die Grauen geschossen.«
    Charles pfiff anerkennend. »Nett. Dann hat das Mädel also Mumm.« Er drückte den Kolben der letzten Spritze herunter und ich beobachtete, wie die blassblaue Flüssigkeit die Vene in meinem Arm füllte und anschwellen ließ. Nachdem er die Nadel herausgezogen hatte, erwachte der kleine Motor im Ventil zum Leben und pumpte die Medikamente durch meinen Körper.
    Ich stemmte mich hoch und beugte und streckte meine Handgelenke. »Ja.«
    Dr.   Salvez steckte den Kopf durch den Vorhang. »Wolfe ist oben schon auf Sendung. Ich könnte ihm sagen, dass Sie noch gewartet werden …?«
    Showtime. »Nein, ich bin fertig.« Manchmal rächte es sich auch, eine so gesunde Leiche zu sein.
    »Los geht’s«, sagte Charles mitfühlend und reichte mir mein T -Shirt.
    Ich zog es an und streckte die Arme.
    Ich brauchte volle fünf Minuten für den Weg zu meiner eigenen Beerdigung. Der Konferenzraum befand sich auf dem A -Deck, einer kahlen Fläche mit einem wandfüllenden Bildschirm auf der Steuerbordseite. Das rote, bärtige Gesicht von James Wolfe, dem Kommandanten der Kompanie, war bereits in vielfacher Vergrößerung darauf zu sehen. Sein Ausdruck glich dem eines Kampfsportlers, der sich bereit machte, seine Faust durch ein paar Lagen Ziegelsteine zu donnern.
    Ich war der Einzige im Raum. Im Türrahmen blieb ich stehen und salutierte. »Captain.«
    »Griswold, Sie werden mir erklären, was gerade geschehen ist«, verlangte Wolfe ohne Vorreden. Seine schweren, rötlichen Brauen und die Adlernase wirkten noch bedrohlicher als sonst; wo auch immer er sich gerade befand, gab es nur dämmriges Licht. Seine Stimme dröhnte mir aus den Lautsprechern entgegen, die im ganzen Raum verteilt waren. In Persona war er zugegebenermaßen aber genauso beeindruckend.
    Er hatte mir nicht erlaubt, mich zu entspannen, also senkte ich zwar den Arm, behielt meine steife Haltung aber bei. »Sir, mit allem gebotenen Respekt, die Situation war nicht so einfach, wie sie uns dargestellt wurde.«
    Wolfe rieb sich den Nasenrücken. »Habe ich um Ausflüchte gebeten? Nein, das habe ich nicht.«
    Ich zwang mich dazu, ihm in die Augen zu sehen, und begann. »Vor zwei Tagen haben wir wie geplant die städtischen Gemeindefahrzeuge übernommen. Hierbei gab es keine Schwierigkeiten. Gegen Mitternacht desselben Tages haben wir die Elysischen Gefilde erreicht und wurden auf die zweite Ebene geschmuggelt. Als wir sahen, dass die Lebenden das Gebiet für die Nacht verlassen hatten, schickte ich einige Männer aus, um unser Lager zu tarnen und zu gewährleisten, dass alles sicher war. Und dann fanden wir heraus, dass nichts sicher war. Der Feind war bereits dort. Sie hatten in einem der Fertigbauten Quartier bezogen. Es waren mindestens hundert. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich nur fünfzig Mann hatte.«
    Wolfes Hand ballte sich zur Faust. »Was haben Sie getan?«
    »Ich habe meinen Spähern befohlen, zurückzukehren. Das Letzte, was ich wollte, war, dort unten einen Kampf zu riskieren. Wir wussten schließlich nicht einmal, ob sich alle Soldaten der Grauen in diesem Haus aufhielten, und wir konnten nicht beurteilen, ob sie bewaffnet waren oder nicht. Hätten wir das Haus überfallen und niedergebrannt, dann hätte das sicherlich ihre Späher oder vielleicht sogar eine weitere

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