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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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bleiben, solange ich noch aufrecht stehe«, fuhr er fort, sobald es möglich war. »Wir werden uns niemals den Begierden unserer fehlgeleiteten, unmenschlichen Angreifer ergeben. Und ich danke jedem, der heute hierhergekommen ist, jedem, der heute Morgen aufgestanden ist, der gefrühstückt, sich angezogen und auf den Weg gemacht hat, um dem Ruf seiner Regierung zu folgen. Es mag Ihnen zu der Zeit vielleicht nicht so erschienen sein, aber es war eine noble, selbstlose Tat. Solange unsere Gemeinschaft stark ist, sind wir stark.«
    Ich erhob mich mit der Menge, aber ich klatschte nicht. Ich fragte mich nach dem Sinn dieser Rede. Die Punks wollten also, dass wir so lebten wie sie? Ich wäre mehr als zufrieden damit, als Magd mit einem Holzpflug auf einer Dorffarm zu arbeiten, wenn Nora nur bei mir wäre. Ich würde allem zustimmen, wenn es sie nur zurückbrächte. So wichtig war mir der Fortschritt nicht.
    Gleichzeitig konnte ich mich aber nicht gegen die Erkenntnis wehren, dass ich alle Punks bis zum Tage meines Todes hassen würde, wenn sie Nora wirklich entführt und ihr etwas angetan hatten.
    Ein paar weitere Familien kamen auf dem Weg nach draußen auf uns zu, aber es waren nicht viele. Isambard machte noch immer den Eindruck eines einsamen Hundewelpen, der nach Aufmerksamkeit hechelte.
    »Das war einfach wundervoll«, kommentierte Mum, während sie sich mit ihrem bemalten Holzfächer etwas Kühlung verschaffte. »Ich glaube, genau das war es, was viele dringend hören mussten. Siehst du, Pamela? Du musst dir keine Sorgen machen. Es wird alles gut.«
    »Ja«, pflichtete Dad ihr bei. »Allerdings finde ich es etwas merkwürdig, dass er nicht mehr darüber gesagt hat, wie wir die Punks bestrafen werden. Wir können sie nicht ungeschoren davonkommen lassen. Ich meine, wenn einige von ihnen hier unter uns gelebt und auf den richtigen Moment für einen Angriff gewartet haben, warum hat die Regierung dann nichts davon gewusst?«
    »Die Punks wollen doch gerade, dass wir sie bestrafen«, murmelte Isambard. »Dann können sie mit dem Finger auf uns zeigen und sagen: ›Seht her! Sie greifen uns an!‹ Wir drehen ihnen also besser eine lange Nase.«
    Mir war klar – sosehr mir das auch zuwider war –, dass Issy wohl recht hatte. Doch ich war mit den Gedanken noch immer weit weg bei Nora.
    Einen Moment später waren sie jedoch bei jemand ganz anderem.
    Es war ihr bauschiges Haar, das mich auf Vespertine Mink aufmerksam machte. Sie stand bei ihrer Mutter, Lady Elsinore Mink, und deren Busenfreundin, der berühmt-berüchtigten Miss Prescilla Perez. Beide Frauen waren schlanke, modisch gekleidete Brünette.
    Vespertine entdeckte mich und betrachtete mich mit der üblichen Kälte. Sie war zwar nicht im eigentlichen Sinne schön, aber mit ihrer wohlgeformten Nase, den hohen Wangenknochen und den großen grauen Augen doch fesselnd. Sie hatte aber auch etwas Morbides, Berechnendes an sich.
    Und sie hatte Nora in einer nationalen Fernsehshow bloßgestellt.
    Ich trat einen Schritt auf sie zu.
    »Miss Roe?«
    Ich fühlte die Hand meiner Mutter auf der Schulter und drehte mich um. Michael Allister samt Familie stand vor uns.
    »Oh, hallo, Mr.   Allister«, sagte ich. An jedem anderen Tag wäre mir das Herz in der Brust geschwollen, aber jetzt empfand ich nicht das leiseste Interesse. Ganz egal, wie umwerfend er aussah.
    Er schob sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte leicht. Dann trat er einen Schritt zur Seite und sagte: »Darf ich Ihnen meinen Vater, Lord Leslie Allister, vorstellen? Und meine Mutter, Lady Allister.«
    Ich machte es ihm nach und stellte auch meine Familie vor. »Mein Vater, Mr.   Geoffrey Roe, und meine Mutter, Mrs.   Roe, und mein Bruder Isambard Roe.«
    Solche Ehrerbietungen wurden überall um uns herum gemacht, doch Lord und Lady Allister blickten unbehaglich drein.
    »Hat Ihnen die Rede gefallen, Lady Allister?«, fragte meine Mutter höflich nach.
    »Ja«, antwortete Lady Allister. »Danke. Aber wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden …«
    Lord Allister reichte ihr seinen Arm. Sie entschwanden und ließen meine Eltern im Kielwasser ihres offensichtlichen Desinteresses stehen.
    Die Kiefermuskeln meines Vaters traten hervor. Die Augen meiner Mutter weiteten sich, nur ganz leicht, aber dieser halbe Millimeter weckte in mir den Wunsch, sie so fest zu umarmen, bis es wehtat.
    »Ähm«, sagte Michael, offensichtlich beschämt, »ich wollte Ihnen nur mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken,

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