Dark Love
das würden sie niemals annehmen.«
»Warum fragst du dann nicht mal Mum, warum sie hier herumsitzt und versucht zu sticken, hm? Wenn sie so stolz wäre, würde sie auf die Tradition pfeifen und in diesem Moment in der Bäckerei arbeiten.«
»Sie tut es, um mich nicht bloßzustellen! Ich habe sie nie drum gebeten!« Mein Gesicht brannte und ich wusste nicht, wie laut meine Stimme inzwischen war.
»Und vor wem sollst du nicht bloßgestellt werden, wenn es dir doch völlig egal ist, was die Oberschicht von dir denkt?«, konterte er mit hoch erhobener Nase.
»Raus.« Ich stürmte zur Tür und riss sie auf. »Raus, und wehe, du setzt jemals wieder einen Fuß in dieses Zimmer, verstanden? Du hast sie ja nicht alle!«
»Was soll das?« Meine Mutter erschien gerade oben an der Treppe. »Was ist hier los?«
»Nichts«, erwiderte ich.
»Nichts«, sagte auch Issy mürrisch.
Meine Mutter musterte uns, bevor sie Issy in sein Zimmer schickte. Isambard riss seine gefaltete Krawatte aus meiner Hand, stapfte aus dem Zimmer und fixierte mich dabei mit einem brennenden Blick. Ich funkelte zurück und wollte die Tür schließen.
»Pamela, wag es ja nicht, deiner Mutter die Tür vor der Nase zu verschließen.« Ich hielt inne und sah sie an. Sie neigte den Kopf. »Ich will nie wieder hören, dass du die Stimme erhebst. Ist das klar?«
»Isambard hat gesagt …«
»Es ist mir egal, was er gesagt hat. Es ist mir egal, was irgendwer jemals zu dir sagt. Wir begeben uns heute in feine Gesellschaft. Ich weiß, dass du aufgebracht bist. Das sind wir alle . Aber du musst Haltung bewahren und dich wie eine Lady benehmen. Ladys sprechen nie mit erhobener Stimme.«
Starr vor Schreck sah ich sie an. Isambard hatte also recht gehabt. »Ich bin keine Lady«, erinnerte ich sie mit brechender Stimme. »Mein Vater backt Brot.«
»Du kannst eine Lady werden . Du kannst ein besseres Leben führen«, erklärte meine Mutter und nahm mein Kinn zwischen ihre Hände. »Du bist ein kluges Mädchen. Denk nach. «
Es fiel mir schwer zu schlucken, da sie meinen Kopf hoch hielt. Ich versuchte verzweifelt, die Tränen zurückzuhalten. Ich überlegte, was ich sagen oder wie ich mich aus dieser Sache herausreden könnte. Aber letztendlich erwiderte ich nur: »In Ordnung.«
Mum küsste mich auf die Stirn. »Das Frühstück ist gleich fertig«, rief sie laut, damit auch Isambard es hören konnte, während sie die Treppen wieder hinunterstieg.
Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, kniete ich mich hin und versuchte, um Stärke und Geduld zu beten, doch schließlich schlug ich mit den Handflächen auf den Boden ein, bis ich keinen Schmerz mehr fühlte.
Nach einem freudlosen Frühstück in gedrückter Stimmung machten wir uns auf den Weg zum Stadtplatz. Er war fast zwei Kilometer entfernt, aber der Weg führte beinahe nur geradeaus die George Street entlang.
New London bestand sowohl aus renovierten Gebäuden aus der Vorkriegszeit als auch aus neuen Bauwerken, deren Stil den älteren Häusern angepasst war. So war beispielsweise der Dom der Heiligen Mutter eigentlich ein jahrhundertealtes Bankgebäude, das man mit Marmorsäulen und einer Marienstatue ausgestattet hatte, die ihr Haupt weihevoll über das Treiben auf den Straßen unter ihr senkte. Aus Kosten- oder Zeitgründen entschieden sich einige auch dafür, nackte Betonbauten zu errichten und anschließend eine holografische Außenfassade darüber zu projizieren. Wann immer es einen Stromausfall gab, flackerten die Attrappen und erloschen. Dann sah die Stadt aus, als wäre eine stumme Bombenattacke über sie hinweggefegt, der Raubzug einer rasend schnellen Geisterarmee.
Die Straßen waren überfüllt. Es war elf Uhr morgens an einem Dienstag, was bedeutete, dass wir uns zwischen den üblichen Einkaufenden, Arbeitern und Schulkindern hindurchdrängen mussten, die für ihre Nachmittagsstunden in die Schule zurückkehrten. Und natürlich gab es eine Menge Schaulustige. Jungen mit tief in die Stirn gezogenen Tweedkappen, die schwere Pakete schleppten, drängten sich durch den Fuß- und Straßenverkehr, während die kleinen Bildschirme, die man an ihre Handgelenke gekettet hatte, ihnen Befehle zubellten und den richtigen Weg wiesen. Straßenhändler boten von Karren ihre Waren feil und priesen sie laut schreiend an.
»Pfundweise Äpfel!«
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