Dark Love
» Er hat also versucht, ihr so eine Art Liebesbiss zu verpassen?! Willst du das damit sagen?«
Bram verzog das Gesicht und hob beschwichtigend die Hände. »Nein, nein! Es war ein Unfall! Er … hat eines Abends all seinen Mut zusammengenommen und ihr seine Gefühle gestanden. Aber vermutlich konnte sie diese Gefühle nicht erwidern und da ist er wütend auf sich selbst geworden. Sie wollte ihn umarmen und … da ist es passiert. So erzählt er es jedenfalls. Er wird nicht oft wütend, also muss es dem Lazarus einen richtigen Kick versetzt haben, weshalb er dann auch die Kontrolle verloren hat. Nach diesem einen Versuch hatte er sich aber wieder im Griff. Er hat sie nicht verfolgt oder so.«
Einen Moment lang ließ ich zwei Finger auf meinen Lippen ruhen, bevor ich nachfragte. »Passiert das öfter? Dass ihr die Kontrolle verliert?« Ich konnte die nackte Angst in meiner Stimme hören.
»Nicht, solange wir gesund und psychisch stabil sind, nein. Und wirklich …« Er verstummte und fuhr dann seufzend fort: »In dieser Hinsicht sind wir die stabilsten, Nora. Die, die es nicht sind, zerstören sich entweder dort draußen selbst oder sie werden verrückt, sobald sie hier drinnen sind. Und wir … kümmern uns darum.«
»Was, ihr bringt sie zur Strecke?«, fragte ich scharf. »Diesen Ausdruck benutzt man normalerweise für Tiere .«
»Wäre es dir lieber, wenn wir sie am Leben lassen und zusehen, wie sie andere verletzen?«
Das saß.
»Dieser Mann kann seinen Kopf abnehmen; mein Vater dachte, dass ihn eines Tages jemand töten müsste … warum? Werdet ihr irgendwann zwangsläufig alle so verrückt wie diese Monster in meinem Haus?« Meine Stimme klang weicher, als mir lieb war. Ich hatte mich den ganzen Morgen über so bemüht, hart zu sein.
Bram starrte auf den Boden. »Willst du das wirklich wissen?«
Abwehrend konzentrierte ich mich auf meine neue Umgebung. » Sag es mir einfach, ja? Sag mir die Wahrheit, wenn ich dich etwas frage, so, wie ich dich gebeten habe. Ich kann es ertragen.«
»Ja. Mit Medikamenten und der richtigen Versorgung können wir vielleicht noch fünf Jahre lang wir selbst bleiben.«
Und für ihn waren zwei davon schon vorbei.
»Wir alle wissen, dass wir irgendwann gehen müssen. Das gehört einfach dazu, damit müssen wir fertigwerden. Wenn es bei mir so weit ist, habe ich vor, mich in meinem Zimmer einzuschließen. Und dann versuche ich, so lange dort drinnen zu bleiben, bis ich vergessen habe, wie man all die Schlösser öffnet. Wenn ich wählen könnte, wäre es mir am liebsten, erschossen zu werden. Aber ich weiß inzwischen aus Erfahrung, dass man nie sicher sein kann, wie und wann es einen erwischt. Es ist besser, man hat dann einen Notfallplan zu viel als einen zu wenig.«
Ich sah ihm wieder ins Gesicht. Es war so offen, so ruhig. Seine Brauen verliefen in leichtem Bogen über den weißen Flächen seiner Augen. Seine maskulinen Gesichtszüge zeigten keine Spur von Angst. Da stand er und erklärte mir, wie er plante, seinen Wahnsinn zu besiegen, indem er sich einschloss, und klang dabei, als würde er übers Wetter reden.
»Das ist furchtbar«, sagte ich. »Wie hältst du das nur aus?«
Er zuckte die Schultern. »Ich schätze, ich hätte damals auch wirklich sterben können. Und wer kann schon sagen, wie viel Zeit mir unter anderen Umständen geblieben wäre? So gesehen habe ich ein paar zusätzliche Jahre geschenkt bekommen und ich habe vor, etwas aus ihnen zu machen.«
Ich kam mir plötzlich ziemlich erbärmlich vor.
»Komm schon«, sagte er. »Besorgen wir dir was zu essen.«
Der offene Hof, über den er mich führte, war von Türen gesäumt, die in die umgebenden Gebäude führten. Keines davon hatte mehr als zwei Stockwerke und alle waren aus Metallplatten und Plastik zusammengezimmert und mit Tarnfarbe bemalt worden. Ein großes Tor trennte sie von einem weiteren Hof, der genau gleich aussah. Ich erkannte den Stil aus den Kriegsgeschichten und Hologrammen meines Vaters wieder. Das hier war entweder ein provisorischer Stützpunkt oder einer, der sehr schnell errichtet worden war. Alle Bauteile waren austauschbar und man konnte sie in unterschiedlicher Konstellation zusammenbauen. Gegen einen Angriff stellten sie allerdings keinen echten Schutz dar.
Wir blieben vor der Kantine stehen, die genauso gedrungen wirkte wie die übrigen Gebäude. Ich konnte Stimmengewirr im Innern hören. Unbewusst ballte ich die Fäuste.
Bram öffnete die Tür.
Die Kantine war voller
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