Dark Love
Zombies. Im Kopf überschlug ich, dass jeder von ihnen wohl nur ein bis zwei Pfund Fleisch abbekommen würde, falls sie vorhatten, mich unter sich aufzuteilen.
Bram spannte die Schultern und ging voraus. Ich hastete hinter ihm her, um nicht zu viel Abstand zwischen uns geraten zu lassen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich keine Angst mehr vor ihm hatte.
Bei den Untoten, die an den langen hölzernen Tischen saßen, sah die Sache aber ganz anders aus.
Es gab keine plötzliche Stille, als wir vorübergingen, es brandete keine Welle der Aufmerksamkeit in meine Richtung. Stattdessen wurden mir verstohlene Blicke zugeworfen, die in Geflüster endeten. Es war beinahe so, als hätte ihnen jemand befohlen, mich nicht anzustarren. Es waren mehr Männer als Frauen, fast alle waren älter als Bram und trugen schwarze Kleidung. Und sie alle nahmen dasselbe farblose, wenig appetitanregende Essen zu sich. Das musste der Tofu sein, von dem Bram gesprochen hatte. Durch das leise Gemurmel konnte ich die Klänge von Händels »Messias« vernehmen.
»Was hat es mit der Musik auf sich, die hier alle hören?«, fragte ich Bram.
»Was wäre das Leben ohne Jazz? Oder der Tod?«, erwiderte er. »Es ist einfach etwas Vertrautes, schätze ich.«
»Du hast sie ja nicht mehr alle, Ren.«
Bram blieb stehen und ich schloss zu ihm auf. Ein paar Meter entfernt stand ein Tisch, an dem vier Zombies in unserem Alter saßen. Zumindest sahen sie aus, als wären sie noch keine zwanzig. Zwei von ihnen aßen, einer war in ein Buch vertieft und der Letzte, das einzige Mädchen, betrachtete sich in einem Taschenspiegel, während sie mit einem Messer an ihrem Metallkiefer herumritzte. Ich erkannte sie aus dem Medizintrakt wieder.
»Wir fragen einfach die junge Lady, sobald sie kommt«, sagte der Junge mit dem Buch gerade.
»Im Ernst, warum liest du diesen Mist überhaupt?«
Der Buchjunge klappte die Ausgabe zu und nahm die Brille von der Nase. »Ich sage die Wahrheit! In all diesen Büchern werfen sich die Mädchen den romantischen Helden nur so an den Hals . Und diese Helden sind tot und sie trinken Menschenblut . Seid also frohen Mutes, meine Brüder, denn ich sage euch, es gibt Hoffnung !«
Der Junge, der sich dieses Wortgefecht mit ihm lieferte, rollte mit seinem einzigen Auge. »Okay, du bist endgültig hinüber. Kann dem nicht mal jemand ein Kochbuch oder so was besorgen?«
»Oder vielleicht eine liebliche Jungfrau, die er verführen kann«, warf das Mädchen ein und sah von ihrem Spiegelbild hoch. Dann fiel ihr Blick auf uns und sie lächelte breit. »Hey, wenn man vom Teufel spricht!«
Der mit dem Buch wirbelte herum und hielt die Hand hoch. »Bevor wir zu den Formalien kommen – du!« Er fixierte mich und ich wich einen Schritt zurück. »Hast du jemals von Vampiren gehört?«
Ich nickte. Wer nicht?
»Und hattest du schon einmal von Zombies gehört, bevor du hierhergekommen bist?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Seht ihr?« Er schlug zur Betonung auf sein Buch. »Vampire sind nur Zombies mit guter PR ! In ein paar Jahren könnten das wir sein!«
»Ren …« Der glatzköpfige, nasenlose Zombie, der hinter ihm saß, massierte sich die nicht vorhandenen Brauen. Auch ihn erkannte ich. »Du übersiehst da etwas Entscheidendes. Vampire gibt es nicht .«
»In jeder Legende liegt ein Körnchen Wahrheit. Und wer weiß schon, was unter dem Eis begraben liegt.«
»Lass stecken.« Das Mädchen erhob sich und wischte sich die Hände an der Hose ab. Sie kam zu uns herüber und blieb eine Armlänge vor mir stehen. Ihr Gang war bestimmt und ihr Lächeln fröhlich, auch wenn die untere Hälfte aus Eisen bestand. Ich erkannte mehrere Zeichnungen, die in das Metall geritzt waren, unter anderem das Wort »Schneeflittchen« .
»Hi, ich bin Chas.«
»Äh, freut mich, dich kennenzulernen«, brachte ich heraus.
Ab hier übernahm Bram das Ruder. »Chas ist unsere Alleskönnerin. Das da ist Tom Todd, Grenadier.«
Der Nasenlose nickte mir zu. »Hey.«
»Coalhouse Gates, Scharfschütze.«
»Willkommen im Reich der Toten, Püppchen«, sagte er und zwinkerte mir zu – vielleicht hatte er auch einfach geblinzelt, aber das hätte ich sowieso nicht unterscheiden können.
»Und dieser Gentleman hier ist Renfield Merriweather der Dritte, Technik und Logistik.«
Renfield setzte die Brille wieder auf, kam auf uns zu und verbeugte sich. »Mylady.« Ich knickste aus Reflex.
Bram bot mir einen Platz an. Jeder Schritt auf den Tisch zu kostete mich
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