Dark Love
übereinanderzustapeln und uns zu verbrennen. Sie würden uns ausrotten.
Bitte, bitte, lass nicht zu, dass ich dafür die Schuld trage.
Ich musste mich zusammenreißen, bevor ich noch verrückt wurde oder einen weiteren Fehler beging. Bevor jemand versuchte, herauszufinden, was mit mir los war.
Es dauerte nur eine Minute, bis ich Renfield gefunden hatte. Er trug einen Blaumann und arbeitete in der Mitte des Feldes an einem einrädrigen Roboter. Ein weiterer Roboter mit insektenartigen Armen stand bewegungslos daneben. Für einen Kerl, der so weit von den Linien der Punks entfernt aufgewachsen war, wie es nur ging, war er mir immer wie jemand vorgekommen, der sich perfekt eingefügt hatte. Er war schlicht und einfach genial – in Sachen Literatur, Geschichte und Mechanik. Körperlich hatte er allerdings nicht viel zu bieten, weshalb er bei Einsätzen immer als Versorgungsverantwortlicher zurückblieb.
»Zeig mir irgendwas, auf dem ich herumschlagen kann«, sagte ich.
Langsam befreite er sich aus der Maschine und blinzelte mich mit schief gelegtem Kopf eulenhaft an. »Wenn du herumschlagen sagst, meinst du mit einem großen Hammer herumschlagen, richtig?«
»Richtig.«
Er rieb sich mit einem Schraubenschlüssel übers Kinn, dann zuckte er die Schultern und deutete hinter mich. »Wir haben es erst gestern Abend reinbekommen. Praktisch antik. Der Motor ist gut, aber ein paar Teile müssen komplett ausgewechselt werden.«
Ich sah mich um. Er zeigte auf ein Luftschiff – ein echtes Punk-Luftschiff. Der hölzerne Rumpf war ramponiert und abgenutzt, den leeren Ballon hatten sie über ein paar nahe Bäume gebreitet.
Vor Überraschung wich alle Spannung aus meinem Körper. »Du machst Witze! Wo haben sie es gefunden?«
»Ich würde gerne glauben, dass es der Weihnachtsmann war, der sich endlich unsere über Jahre angesammelten, leidenschaftlichen, aber unbeachteten Briefe aus Kindertagen vorgenommen hat.« Ren schüttelte den Kopf. »Ich frage nicht nach. Meistens mag ich die Antwort nicht.«
»Und was sollen wir mit dem Ding anfangen?«
»Tja, zuerst suchen wir zehn von uns aus, die noch gute Lungen haben, und dann …«
»Hahaha.«
Ren lachte leise. »Ich habe keine Ahnung, mein Freund. Vielleicht als Luftbasis einsetzen, von der man alles abwirft, was explodieren kann?«
»Vielleicht«, räumte ich ein. »Aber die Steuerung bei diesen Dingern ist echt besch…«
»Beherrsch dich«, fiel er mir ins Wort. Er ging voraus und ich folgte ihm.
Das Schiff war die Schwarze Alice , diesen Namen hatte man ihr auf den Bug geritzt. Die Galionsfigur war ein kleines Mädchen mit Schürzenkleid und Haarschleife. Ich dachte an Nora in ihrem zu kurzen Kleid und biss mir auf die Zunge.
Wir kletterten über die Gangway auf das Schiff. Ich griff nach der Reling. Das schwarze Holz war unter meinen Händen hart und glatt und die Kehle wurde mir eng. Für Punks waren diese Schiffe ein alltäglicher Anblick, es gab sie wie Sand am Meer. Sie waren so etwas wie ein Symbol für unsere gesamte Kultur. Und doch hatte ich seit über einem Jahr keines mehr zu Gesicht bekommen. Ich war mir nicht ganz sicher, was ich bei dieser Wiedervereinigung fühlte.
»Sie lässt sich vielleicht nicht besonders gut steuern«, sagte Ren, als er die Türen öffnete, die unter Deck führten. »Aber schau dir das an.«
Neugierig folgte ich ihm.
Unten war es dunkel. Ren nahm sich eine Laterne, die an den Ersatztauen für die Takelage hing, und schaltete sie an. Kaltes elektrisches Licht erhellte unsere Umgebung und ich stufte es instinktiv als unpassend ein. Elektronik gehörte nicht auf ein echtes Luftschiff. Nichts Digitales gehörte auf ein echtes Luftschiff. Die Ausrüstung, die teilweise am Boden festgeschraubt worden war und teilweise an den Wänden hing, beinhaltete alles, was eine gut vorbereitete Punkcrew brauchte: schwere Messingsternhöhenmesser, Globen mit Reihen von Löchern, in die man Holzstäbchen stecken konnte, um Messergebnisse festzuhalten; ledergebundene Bücher voller Berechnungen sowie Schaufeln und Werkzeug.
Ren schwenkte die Laterne weg von der Wand und richtete sie auf die Mitte des Schiffsbauches.
Heilige …
Das Ding hatte einen riesigen Motor.
»Habe ich vorhin ›gut‹ gesagt?«, fragte Ren. »Die richtigen Worte wären: ›So gut, dass sich mein Verlangen nach der Gesellschaft hübscher junger Mädchen plötzlich komplett und für immer in Luft aufgelöst hat.‹«
Ich war drauf und dran, ihm zuzustimmen. Ich
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