DARK MISSION - Fegefeuer
seinem Kopf zusammenschlagen und zählte langsam bis zehn. Die Welt verschwamm in einem trüben Grün; weiter als bis zu seinen Armen konnte Silas kaum sehen. Aber hier unter Wasser war es noch stiller. Irgendwie beruhigend.
Erst als Silas’ Lungen nach Luft schrien, tauchte er wieder auf. Jessie spritzte Wasser gegen seinen Hinterkopf.
»Angeber!«
Silas drehte sich um und tat, als machte ihn das fuchsteufelswild. »Okay, das reicht jetzt!«, knurrte er und warf sich ihr entgegen. Jessie kreischte auf, wollte sich vor ihm in Sicherheit bringen. Er aber bekameine ihrer schlanken Fesseln zu fassen und riss sie zurück. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen, als sie unterging, und Silas fing Jessie mit den Armen ein.
Sie kam hoch, prustete und spuckte. Ihr nasses und daher dunkler wirkendes Haar hing ihr wie ein Vorhang vor dem Gesicht. »He, das gilt nicht!«, brachte sie lachend hervor. Ohne zu zögern und ohne jegliche Angst schlang sie ihm die Arme um den Hals. Ihre Finger spielten mit Silas’ nassen Locken.
Silas’ und Jessies Beine gerieten sich ins Gehege. Silas nahm Jessie an den Oberschenkeln und sorgte dafür, dass sie die Beine um seine Taille schlang. Er konnte gar nicht genug von ihren ellenlangen Beinen bekommen, ganz besonders dann nicht, wenn sie ihn damit umschlang. »Also«, sagte er leise und fuhr mit den Fingerspitzen einer Hand ihr Rückgrat nach, von oben bis nach ganz unten. »Ich hätte dich nicht für einen Fan von Tattoos gehalten.«
Ihre Augen funkelten. »Das bin ich auch nicht.« Als Silas mit der Hand über das Barcode-Tattoo auf ihrem Rücken strich, zog sie in einer gleichgültig wirkenden, sehr weiblichen Bewegung eine der milchweißen Schultern hoch. »Ich habe das Tattoo schon, solange ich denken kann.«
Wie seltsam war das denn? »Deine Eltern haben dir nicht erzählt, was es zu bedeuten hat?«
»Nein.« Jessie seufzte und verschränkte die Finger in Silas’ Nacken. »Wir haben unseren Vater nicht gekannt, waren immer schon allein mit unserer Mutter«, fügte sie hinzu. Der Blick aus ihren Honigaugen, Augen wie das Gold des Sommers, war offen und ehrlich. Silas konnte nicht widerstehen. Er beugte sich vor und fuhr mit seiner Zunge den perfekten Schwung von Jessies Unterlippe nach. Er küsste den Tonfall in ihrer Stimme fort, der nach Tatsachen klang. Diesen Tonfall, den sie angeschlagen hatte, als sie von ihrer Vergangenheit erzählte. Diesen Tonfall, der in seinem Herzen sofort ein Echo voller Mitgefühl für diese junge Frau fand.
Jessie summte eine hübsche kleine Melodie, sehr kehlig, und Silaswusste, dass sie ihn um den Finger wickeln konnte, jederzeit. Dass er sich von Honig und Whiskey hatte verführen lassen. Was zum Henker machte er hier?!
Warum setzte er dem Ganzen nicht endlich ein Ende?
Weil er Jessie fast verloren hatte. Der Gedanke hatte sich in seinem Kopf festgesetzt, war immer da, kreiste unablässig in seinem Hirn. Beinahe hätte er Jessie verloren. Der Magie wegen. Himmel, wenn doch nur der Andreasschild mehr Abwehrkraft besessen hätte! Wenn Silas selbst doch nur stark genug gewesen wäre, den Bann zu brechen, unter den er geraten war!
Den Zauber hätte abblocken können, irgendwie.
Jessie lächelte ihn an, strich mit dem Finger über die Bartstoppeln auf seiner Wange. »Matilda hat gesagt, in einer Stunde gibt es Essen.«
»Galt das …« – möglichst kontrolliert stieß Silas den Atem aus, als Jessie ihm bei ihrem gemeinsamen Wassertreten das Becken entgegenschob – »von dem Moment an, wo du hier ans Wasser gekommen bist?« Silas hatte Mühe, die Worte normal auf die Reihe zu bekommen.
»Jep.« Bei den herrschenden Lichtverhältnissen funkelten Jessies Augen, reflektierten das Grün des Wassers.
»Dann bist du wohl gar nicht hungrig, oder?« Silas neigte den Kopf und suchte mit den Lippen die empfindsame Stelle gleich unterhalb von Jessies Ohr. Die Stelle, deren Berührung Jessie erschauern ließ. Sie reagierte sofort, legte den Kopf in den Nacken und sog hörbar die Luft ein.
Silas selbst war kurz davor zu verhungern. Jessie ging es bestimmt genauso. Aber ihren Körper an seinem zu spüren, das war ein so verdammt gutes Gefühl, es war so echt, viel, viel zu gut, um sie jetzt loszulassen.
»Wir sollten unbedingt was essen, wir beide«, sagte sie und erschauerte, als Silas’ Zungenspitze über die samtene Haut dort unter dem Ohr strich. »Silas, bitte hör auf! Ich kann ja keinen klaren Gedanken fassen!«
»Gut.« Aber
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