DARK MISSION - Fegefeuer
noch mehr Antworten, die Silas nicht lieb wären. Schlimmer noch: die zu akzeptieren er nicht bereit wäre.
Also beließ es Jessie dabei, dass Silas schweigsam blieb. Das Schweigen zwischen ihnen brachen erst die kleinen Laute der Bewunderung, die beiden entschlüpften, als Matilda sie auf die Rückseite ihres Häuschens führte. Glatte, glänzende kleine Pflastersteine einer Terrasse umgab eine überbordende Blütenpracht in allen Farben des Regenbogens. Alle Ecken und Winkel waren von dem herrlich anzuschauenden Meer aus Blumen erobert worden.
»Ich habe keine Ahnung, was das für Blumen sind«, erklärte Matilda, »aber sie wachsen hier wie Unkraut, und sie brauchen kaum Pflege.« Trotz der zur Schau gestellten lässigen Unbekümmertheit glänzten Matildas Augen vor Stolz, als Jessie sich von Trog zu Kübel und hölzernem Kasten bewegte und hier und da farbenfrohe Blüten berührte, dort an ihnen roch.
Mit einem Finger fuhr Silas am Rand einer der Blüten entlang. »Sieht ein bisschen aus«, meinte er dann nachdenklich, »wie ein Hibiskus. Oder so.« Er suchte Matildas Blick. »Ich frage mich, obdie Umweltbedingungen hier vielleicht zu einer Beschleunigung der Evolution geführt haben.«
Jessie warf ihm einen schelmischen Blick zu und stemmte die Hand in die Hüften. »Oho, Agent Smith«, meinte sie gedehnt und gluckste amüsiert, »wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt glauben, Sie wären einer von diesen eingebildeten gut erzogenen Oberschichtschnöseln!«
Silas errötete; seine harten Züge wirkten gleich viel weicher. Jessie musste sich rasch abwenden, damit ihr nicht über die Lippen kam, was an Gefühlen ihr die Kehle zuschnürte. »Dein Garten ist wunderschön«, sagte sie stattdessen, an Matilda gewandt. Jessie war stolz auf sich, weil ihr Tonfall ganz natürlich und unangestrengt klang. Dass sie das Gefühl, das nicht mehr verschwinden wollte, unter Kontrolle zu halten vermochte, dieses schreckliche Gefühl, in ein tiefes, dunkles Loch zu stürzen. »Das muss viel Arbeit machen.«
»Danke schön, Liebes!« Mit einer einladenden Handbewegung deutete Matilda auf den Tisch mitten auf der Veranda. »Alles, was an Gemüse und Obst auf meinen Tisch kommt, ernte ich in meinem Garten. Der Fisch ist fangfrisch.«
Silas setzte sich als Letzter an den Tisch und begutachtete ihr Mahl. Jessie fand, sein Gesicht verriet Anerkennung. »Du fängst Fisch direkt aus dem Graben?«, fragte er.
Matilda grinste. »Was hast du denn geglaubt, warum ich mich da draußen herumtreibe? Weil’s mir Spaß macht, herumzusitzen und darauf zu warten, dass ein paar Leute in meinen Fluss fallen, die ich herausfischen kann?«
»Wir sind jedenfalls froh, dass du da warst«, bedankte sich Jessie. Es war ihr ganz ernst damit. »Genau im richtigen Augenblick bist du aufgetaucht. Ich kann gar nicht … Oh!« Ihr Magen knurrte und grummelte alarmierend heftig, als sie gerade nach der ersten Platte griff. »Das riecht ganz köstlich!«
Und das Essen war so köstlich, wie es roch. Trotzdem beäugten Silas und sie das ein oder andere Gemüse ein bisschen misstrauisch, dasMatilda ihnen da servierte. Silas aber schien alles für durchaus essbar zu halten. Also probierte auch Jessie das Angebot. Beim ersten Bissen von etwas, das wie Radieschen aussah, aber völlig anders schmeckte, schnellten vor Überraschung ihre Augenbrauen in die Höhe.
Matilda lachte, dass ihre Schultern bebten, als Silas in eine vermeintlich weiche Frucht biss und dabei genau den Kern traf, dass es nur so spritzte. Der Saft schoss über den Tisch und über sein T-Shirt. Unter reichlich Gekicher half Jessie, die Bescherung wieder zu beseitigen.
Doch wie alles im Leben dauerte auch diese aufgeräumte Stimmung nicht ewig an.
Schon bald war das Essen vorbei, und Jessie ging Matilda beim Abräumen des Tisches zur Hand. Silas blieb derweil auf der Veranda. Was an Schalen und Stielen, Kernen und Körnern übrig geblieben war, warf Matilda in einen Eimer für kompostierbare Abfälle. Doch ihr Blick ruhte allein auf Jessie. »Langsam wird es Zeit, dass du dir einen Plan zurechtrückst, meine Kleine!«
Jessies gute Laune war wie weggewischt. Mit einem Mal war sie müde. Widerwillen regte sich. »Ich weiß«, murmelte sie. »Ich wünschte, wir könnten für immer hier bei dir bleiben.«
»Das wünschte ich mir auch«, erwiderte Matilda, »aber die Welt dreht sich sonst ohne euch weiter. Das ist nicht gut«, fügte sie hinzu, als sie den Funken unsinniger
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