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DARK MISSION - Fegefeuer

DARK MISSION - Fegefeuer

Titel: DARK MISSION - Fegefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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glitzerte genau in der Mitte ein schmaler Ring.
    In ihren Zügen mischte sich Exotisches so, dass ihre schrägen Mandelaugen und ihre lächerlich vollen Lippen ihr eine gewisse kantige Schärfe verliehen. Mindestens ein Teil asiatisch, japanisch vielleicht, aber zum größten Teil eine Mixtur aus Haltung und einstudierter Pose.
    Auf Kilometerabstand ganz leicht wiederzuerkennen. Jessie speicherte das Bild sofort, als sich die Frau über ihr Lippenpiercing leckte. »Im Übrigen«, fügte die Unbekannte hinzu, »hast du mehr zu beweisen als wir anderen.« Ihr Tonfall klang schwer von Ungesagtem, das sich auf Jessies sensibilisiertes Bewusstsein legte.
    »Du hast mich hier haben wollen!«, fauchte Silas, jede Faser in seinem vor Kraft strotzenden Körper war zum Zerreißen gespannt.
    Einer der Männer schnitt eine Grimasse. »Naomi hat recht, Smith. Ungeachtet deiner Vergangenheit …«
    »Ach, jetzt komm schon!« Wütend hob Silas in einer Abwehrgeste die Hände. »Das hier ist ganz allein dein Ding, Nai, denk dran! Also schieb mir jetzt ja nicht den scheiß Schwarzen Peter zu!«
    Jessie krallte sich die Fingernägel in die Handflächen, als der Drang, tiefer ins Jetzt einzutauchen, immer unwiderstehlicher wurde.
    Lass es, verdammt! Reiß dich zusammen!
    Die Gabe, die Gegenwart zu sehen, war nicht mit einer Bildschirmübertragung vergleichbar; es war ganz und gar nicht wie eine Art Film. Jessie wusste nicht, zu was die Mission fähig wäre, wenn sie das hier jetzt versaute. Wenn sie der Magie zu viel Spielraum ließe, zu viel Macht gäbe.
    Der Mann, der sich eben gerade zu Wort gemeldet hatte, war ein grauhaariger älterer Typ mit Stirnglatze. Er saß in einem der mit Schnitzereien üppig verzierten Lehnstühle. In dem Stuhl wirkte er kleiner, schmaler, als er wirklich war. Aber hinter seinen haselnussbraunen Augen lauerte eine wache Intelligenz. Mit der flachen Hand schlug er auf die glänzende Lackoberfläche der Tischplatte. »Kannst du nun die Schwester bei der Jagd nach dem Bruder zu deinem Werkzeug machen, oder kannst du es nicht?«
    Silas ballte die Fäuste. »Das ist nicht meine Aufgabe. Ihr habt einen Missionar gebraucht, den hier keiner kennt, um sie aufzuspüren. Und ich habe sie aufgespürt. Ihr brauchtet jemanden, der dafür sorgt, dass sie kooperiert. Und ich habe verdammt noch mal dafür gesorgt, dass sie kooperiert.«
    »Und wo ist sie dann?« Das Sonnenlicht brachte Naomis beispiellos veilchenblaue Augen zum Funkeln. »Du hast doch immer noch Zugriff auf sie, das sehe ich richtig, ja?«
    »Sie schläft«, erklärte Silas kurz angebunden. »Sie wie eine Gefangene zu behandeln ist wohl kaum dazu geeignet, sich ihre Kooperationsbereitschaft zu sichern.«
    Jessies Blick ins Jetzt flirrte wie Luft in mittäglicher Hitze. Es war dieHitze ihres eigenen Zorns, die das geschehen ließ. Sie mit einem Gürtel zu fesseln war ganz sicher nicht der richtige Weg, sich ihre Kooperationsbereitschaft zu sichern. Das hieß also, Silas Smith log gerade. Warum?
    »Er kann es nicht«, sagte Naomi und zuckte mit den Schultern. Das Top in kräftigem Rot, das sie trug, entblößte dabei milchig weiße Haut überall dort, wo es kunstvoll eingerissen war. »Ich hätte es wissen müssen …«
    »Die Zelle des Zirkels, die hier in dieser Stadt operiert, hat siebenunddreißig Menschen getötet.« Mit dem Timbre eines Nebelhorns durchstieß die Stimme des zweiten Mannes den Klangteppich, den alle anderen Stimmen gewebt hatten. Die Blicke der anderen Jäger flogen hinüber zu dem Mann, der am Kopfende des langen Tisches thronte. Silas’ Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    Jessie betrachtete den Mann genau. In seinem Gesicht stand nicht mehr zu lesen als ruhige Entschlossenheit. Diese Entschlossenheit war so bestimmend, dass sie im Raum greifbar schien. Auch dieser Mann hatte graues Haar, eisengrau war es und ganz kurz geschoren. Eisengrau umrissen Koteletten ein scharf geschnittenes Gesicht, die perfekte Begleitung zu dem kantigen, energischen Kinn. Der Mann war sehr viel älter als alle anderen im Saal. Das Alter hatte Falten um seine blauen Augen gegraben. Aber es vermochte nicht zu schmälern, wie viel Willenskraft und Energie von diesem Mann ausging. Seine machtvolle Aura umgab ihn wie ein durchscheinendes Gespinst. Mit ihrem magischen Blick konnte Jessie diese Aura sehen, als wäre sie so real wie ein fein gesponnenes Netz.
    Oder ein Schutzzauber. Jede Hexe und jeder Hexer, die verdienten, so genannt zu werden,

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