DARK MISSION - Fegefeuer
herrschte zwischen den beiden Männern am Tisch, bis die anderen den Raum verlassen hatten. Silas’ ganze Haltung, sein ganzes Mienenspiel signalisierte Unnachgiebigkeit.
»Silas Smith«, meinte Peterson gedehnt und kaute auf den einzelnen Silben herum wie auf einem Problem, das anzugehen ihn große Überwindung kostete. Bedächtig legte er den Tablet-Computer zwischen sich und Silas auf den Tisch. »Waise. Eremit. Verwundeter Missionskämpfer.«
Silas zuckte vor dem Bildschirm zurück. »Bin nicht interes…«
»Setzen! Los, hin setzen!«
Silas gehorchte nicht. Aber er ließ den eisengrauen Missionar auch nicht einfach stehen und ging. Stattdessen umklammerte er die Lehne eines der schönen Stühle so fest, dass die Knöchel seiner Hände weiß hervortraten, und wartete.
Sein Gegenüber begann zu sprechen. Der Tonfall war leise, drohend. Es juckte Jessie sofort in den Fingern, nach dem schmalen Tablet zu greifen und das Ding dem selbstgefälligen Arschloch mitten ins Gesicht zu schlagen. »Ich beobachte Sie jetzt schon eine Weile. Ich beobachte Sie, seit Miss West Ihren Namen ins Spiel gebracht hat. Bei meinen Missionen dulde ich keine einsamen Wölfe. Und ich werde Sie hier in meiner Stadt exakt so lange dulden, wie unbedingt nötig ist. Haben Sie mich verstanden?«
Silas starrte auf seine digitale Akte. Einer seiner Unterkiefermuskel zuckte, vielleicht ein nervöser Tick. »Ja, Sir.«
»Wenn Ihre Mission abgeschlossen ist, werde ich eine erneute Tauglichkeitsprüfung für Sie beantragen. Ich rechne damit, dass diese Tauglichkeitsprüfung bestätigen wird, was wir beide, Sie und ich, längst wissen.«
»Und das wäre?« Jessie fiel auf, dass Silas kein Stück neugierig klang. Er klang, als kannte er die Antwort auf die Frage, als hätte er das alles längst erwartet.
Was für ein Scheißspiel ging da gerade ab?
»Dass Sie«, führte Peterson aus, ließ sich Zeit beim Sprechen und genoss offenkundig jede Silbe, »Ihre besten Zeiten hinter sich haben. Dass Sie im Einsatz eine Belastung sind und überall sonst nur noch eine tragische Figur abgeben.« Silas’ Blick hätte Löcher in den Bildschirm des unschuldigen Tablets brennen können. »Ich kenne Ihre ganze Geschichte. Sie werden hier keine Gelegenheit haben, Ihre Fehler zu wiederholen. Sobald diese Mission abgeschlossen ist, war es das für Sie: Sie arbeiten für keine andere Mission in diesem Land mehr. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Silas versuchte erst gar nicht, sich zu verteidigen. »Glasklar«, antwortete er nur. Er spuckte dieses eine Wort aus und wandte sich ab. Mitgefühl für ihn überschwemmte Jessie und erstickte ihre Wut.
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie wegtreten dürfen!« Petersons Tonfall blieb unverändert. Dennoch wurde das Bedrohliche darin in der Luft greifbar. Jessie spürte, wie dieser Ton ihr unter die Haut ging.
Nein, nicht ihr, Silas ging der Ton unter die Haut.
Den Rücken kerzengerade stand er da. Aber unter der dünnen Tünche aus Kontrolle kochte es in ihm. Jessie schnappte nach Luft, wusste, dass sie keuchte. Doch alles, was sie hörte, war, wie Silas mit den Zähnen knirschte.
Sie spürte es, als wären es ihre eigenen Zähne.
Sie wehrte sich dagegen, tiefer in Silas einzutauchen. Aber die Magie hatte ihren eigenen Willen. Sie wollte unbedingt in ihn hineinschlüpfen.
»Sorgen Sie dafür, Mr. Smith, dass Sie Kontakt halten und regelmäßig Meldung machen. Ihr Team wird Sie im Auge behalten. Ganz besonders genau.«
Als Silas steifbeinig den Saal in Richtung Tür durchquerte, zerstach zorniges Rot das Bild, das Jessie statt der heruntergekommenen Wohnung vor Augen hatte. Ihrer Kehle entrang sich ein Schrei. Verzweifelt ruderte Jessie mit den Armen, um irgendwo Halt zu finden, sich wieder zu fangen.
Zwecklos. Sie verlor die Kontrolle. Groll, wilder Zorn, der einem durch Mark und Bein ging. Jessie konnte nicht entkommen. Es war ein Gischt sprühender Strudel aus zu vielen unterschiedlichen Emotionen, zu beschissen vielschichtig, zu kompliziert, um sie alle hier und jetzt auseinanderzuhalten. So viele verschiedene Gefühle und keines ihr eigenes. Denn der Ursprung all dieser Gefühle war Silas, niemand sonst.
Er schrie seine Not heraus, und die Magie antwortete mit einem Schrei ganz eigener Art. Die Magie pulsierte in Jessies Adern. In einem Sekundenbruchteil verlor die Szenerie, der Saal, die Sonne, die Möbel, alles, ihre wirklichkeitsechte Farbigkeit, versank im Dunkel. Jessie versuchte noch, die
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