DARK MISSION - Fegefeuer
Dunkelheit hinein und fand den Metalldeckel über der Ruinenstadt, warf helles Licht auf das Meer aus Metall dort oben. »Oh!«, machte Jessie und stieß Silas mit der Hand an. Da war er, sein Bein, ganz nah, gleich links neben ihr. »Schauen Sie doch!«, verlangte sie nach seiner Aufmerksamkeit.
Aus dem künstlichen Himmel regnete es. Während der Pick-up auf den von Trümmern übersäten Platz fuhr, strömte Wasser zwischen den stählernen Maschen des Metallteppichs über ihren Köpfen auf sie herab. Es war die einzige Art von Regen, die die Straßen der Unterstadt je erlebten, ein heftiger, kalter Regen.
Silas bremste den Pick-up ab und hielt. Wieder herrschte eine ganze Weile Schweigen zwischen Jessie und ihm. Die Grabesstille auf dem Platz füllte sich mit den Geräuschen des Regens. Er trommelte seinen Rhythmus auf Metall, Glas und Beton.
Unter Jessies Hand bewegten sich Muskeln. Die Bewegung brachte Jessie schlagartig zu der Erkenntnis, dass ihre Hand immer noch auf Silas’ Oberschenkel ruhte. Dass Silas sich ihrer Berührung nicht entzogen hatte. Dass sie vor der Berührung nicht zurückgeschreckt war.
Sie starrte auf ihre Hand, die auf der Jeans lag.
Rasch zog Jessie die Hand zurück und fingerte am Türgriff herum. »Kommen Sie!«, forderte sie Silas schnell auf. Sie fühlte sich wie eine ausgemachte Idiotin. Hoffentlich war es in der Fahrerkabine dunkel genug, damit ihre Verlegenheit nicht offensichtlich wurde. Ihr Gesicht, das wusste Jessie, war jedenfalls puterrot angelaufen. »Von hier aus können wir zu Fuß weiter!«
»Nimm die Taschenlampe mit! Du wirst sie brauchen.«
»Brauchen Sie denn keine?«
Jessie blieb nicht stehen, um den Ausdruck auf Silas’ Gesicht zu lesen, als er ihr nach draußen folgte. »Ich habe immer eine in der Tasche. Ich frage mich die ganze Zeit, woher …«, begann er nachdenklich. »Das ganze Wasser: das muss Niederschlagswasser sein. Es läuft nachhier unten ab, wenn es in der Oberstadt regnet. Bestimmt geht schon wieder ein Gewitter über der Stadt runter.«
»Ihnen gefällt das Wetter nicht? Dann warten Sie mal zehn Minuten!«, sagte Jessie mit ironischem Unterton. Bei Silas’ amüsiertem Grunzlaut wurde ihr seltsam warm und wohlig zumute.
Wieder biss sie sich auf die Lippe, zuckte zusammen. Benimm dich bloß! »Kommen Sie! Ich bin mir ziemlich sicher, es ist nicht mehr weit von hier. Aber der Zustand der Straße vor uns wird immer schlechter.«
Jessie verpasste sich selbst innerlich einen Tritt in den Hintern, als die Worte ihr, ganz ohne nachzudenken, über die Lippen purzelten. Verdammt sei ihr loses Mundwerk! Silas musterte die gegenüberliegende Seite des gepflasterten Platzes. Sie lag in vollkommener Dunkelheit. »Woher weißt du das?«
»Ist geraten, mehr nicht«, meinte sie leichthin. Sie klemmte die Taschenlampe zwischen die Knie und nahm die Haare zurück. Mit dieser Bewegung blockte sie sehr effizient Silas’ Blicke auf ihr Gesicht ab.
»Sieht echt scheiße hier aus«, meinte Silas, beobachtete aber dabei Jessie.
Sie , nicht die Umgebung. Er überprüfte den Sitz seiner Waffe im Holster, knöpfte die verwaschene Jeansjacke halb zu und schloss den Pick-up ab. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen. Ob er spürte, dass sie ihn angelogen hatte? Jessie ließ die Schultern kreisen, um die Anspannung zu lösen, die sie in ihrem ganzen Körper spürte. Es half nicht. »Na dann los, gehen wir!« Ohne auf ihn zu warten, nahm sie die schwere Taschenlampe in die Hand und marschierte los, einmal quer über den Platz, auf den der Regen niederging. Jessie musste sich große Mühe geben, um den Blick auf dem unebenen Pflaster unter ihren Stiefeln zu behalten. Sie wusste, spürte, dass Silas ihr gefolgt war und sie eingeholt hatte.
Der Mann hatte eine unglaubliche Präsenz. Sie würde sich daran gewöhnen müssen. Für den Moment zumindest.
Nach nur ein paar Augenblicken waren Silas und Jessie nass bis auf die Haut. Jessie hatte den Reißverschluss ihrer Jacke geöffnet, um daskalte Wasser die alberne Hitze in ihrem Bauch herunterkühlen zu lassen. Der Regen roch irgendwie nach Kupfer. Als Jessie sich über die Lippen leckte, schmeckte das Nass auf ihrem Gesicht ein klein wenig metallisch.
Wohin floss all dieses Wasser ab? Plötzlich hatte sie das Bild einer Flut vor Augen, die höher und höher stieg. Jessie knirschte mit den Zähnen. Ihrer Einbildungskraft freien Lauf zu lassen war momentan alles andere als hilfreich. Es hatte in den letzten fünfzig
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