DARK MISSION - Fegefeuer
Hämmern seines Herzschlags.
Und Jessie.
Jessie hätte jetzt alles für Calebs Flügel gegeben.
Ihre Hände umklammerten den Gurt über ihrer Brust. Klamme Finger verkrampften sich darin, als ob ihr Leben davon abhinge. Sieschrie auf, als der schwere Wagen mit der Schnauze halb über der Tiefe hing und schaukelte wie eine Kinderwippe.
»Nicht bewegen!« Silas legte Jessie die flache Hand auf die Brust und drückte sie gegen die Lehne ihres Sitzes. Jessie erstarrte, jeder Muskel starr vor Angst.
O Gott! O Gott! Was zum Teufel war los? Was war passiert? In der einen Sekunde hatten Silas und sie sich noch unterhalten, und in der nächsten … Ja, was?
In der nächsten Sekunde hatte Jessie gesehen, wie magische Kräfte, einer tintenschwarzen, öligen Wolke gleich, Silas’ Körper einhüllten. Magie war über seine Haut gekrochen, hatte das schützende, schimmernde Schild seines Tattoos ertränkt und die Kontrolle über ihn an sich gerissen.
Magie hatte den Pick-up gegen die Leitplanke rasen lassen.
Magie, die sich angefühlt und geschmeckt hatte wie Calebs Magie.
Panik hing Jessie wie ein dicker Kloß im Hals. Sie biss die Zähne zusammen.
Autos rasten an ihnen vorbei, Hupen plärrten. Aber als sich der Pick-up nach vorn neigte, war alles, was Jessie zu tun vermochte, hilflos in Silas’ graugrüne Augen zu blicken.
Ihr schlug das Herz bis zum Hals. »Silas«, wisperte sie, »was machen wir denn jetzt?«
Silas nahm die Hand von ihrer Brust. Seine Bewegung war so langsam, als müsste er die Hand durch zähflüssigen Sirup ziehen. Er griff wieder nach dem Lenkrad. »Langsam«, sagte Silas, »ganz langsam entriegelst du jetzt die Tür!«
Jessie nickte, eine kaum merkliche, abgehackte Bewegung. Alles in ihr drängte sie zur Hektik. Aber ganz langsam und so vorsichtig, dass ihre Hand vor Anspannung zitterte, streckte sie die Finger nach dem Sicherungsknopf der Tür aus.
Silas war blass geworden, aber in seinem Gesicht stand Wut und Entschlossenheit. Er ließ das Lenkrad nicht los. »Gut«, sagte er tonlos. »Die Bremsen greifen. Mach wei… Verdammt, nur die Ruhe,Sonnenschein!« Eine Regenböe fegte über die Windschutzscheibe hinweg; der Pick-up erbebte.
Hinter ihnen auf der Straße sah Jessie, eingerahmt vom Außenspiegel auf ihrer Seite, Autos die Unfallstelle passieren. Andere gingen mit der Geschwindigkeit herunter. Ein ganzer Haufen geschockt wirkender Leute hatte sich auf dem Standstreifen gesammelt; manche sprachen in ihre Com-Geräte, einige fotografierten. Es wurde viel lautstark diskutiert, herumgebrüllt. In der Ferne heulten die ersten Sirenen.
Von alledem nahm Jessie kaum etwas wahr. Mit zitternden Fingern zog sie den Knopf der Türverriegelung hoch. Gleich darauf wanderte ihre Hand in Richtung Türhebel. Genau da kippte die spektakuläre Aussicht auf New Seattle, die Jessie eben noch im Außenspiegel gehabt hatte, nach oben weg. Das Metall von Karosserie und Leitplanke kreischte schrill, der Wagen riss sich los. Jessie schrie.
Die Türme aus Glas und Stahl im Außenspiegel rauschten aus Jessies Blickfeld, und vor ihr, vor der Schnauze des Pick-ups: bodenlose Schwärze.
Mit einem Fluch auf den Lippen riss Silas am Lenkrad. Aber was hätte das jetzt noch nützen sollen? Wie Klauen aus Stahl zerfetzten ausgefranste Metallkanten die Karosserie des Pick-ups, als der vom Seitenstreifen hinunterrutschte und mit der Schnauze voran ins Nichts stürzte. Die Schwerkraft selbst presste Silas und Jessie in ihre Sitze, eine mächtige, eiserne Faust.
Ohne einen Rest Atemluft in den Lungen ruderte Jessie mit den Armen, um Halt zu finden. Während das Tageslicht vom Nichts verschluckt wurde und der Pick-up zu schnell fiel, als dass die Lichter der Stadt ihm noch folgen konnten, fanden Jessies Hände warme Haut und starke Muskeln.
Silas hatte ihr den Unterarm quer über die Brust gelegt und drückte Jessie in ihren Sitz. An diesem trügerische Sicherheit und Geborgenheit spendenden Arm klammerte Jessie sich fest, mit beiden Händen. Sie dachte noch, dass, sollte sie hier und jetzt sterben müssen, sie sich an einen Menschen klammerte, den sie hätte lieben können.
Hätte lieben können?
Jetzt ging ihr das auf, jetzt, wo sie gleich würde sterben müssen?
Oh nein!
Wut rang mit Panik, pulsierte durch Jessies Adern. Entschlossenheit und wilder Zorn zerrissen, was ihre Magie unter Kontrolle hielt. Jessie schloss die Augen. Auf diese Weise würde sie nicht abtreten, nein, so nicht! Nicht jetzt. Nicht, wenn
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