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DARK MISSION - Fegefeuer

DARK MISSION - Fegefeuer

Titel: DARK MISSION - Fegefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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Geschickt lenkte er den Pick-up in eine kleine Lücke zwischen zwei anderen Autos und gab Gas, um auf die rechte Spur hinüberzuziehen.
    Rasch warf er einen Blick auf Jessie. Ihr Gesicht war eine undurchdringliche Maske. Sie hatte die Finger in die Oberschenkel verkrampft; überdeutlich hob sich die weiße Haut der Hände von der vor Blut undSchmutz starrenden abgetragenen Jeans ab. Jessies Blick ging starr hinaus auf die Straße und das Stück Hochhaus-Silhouette, das die Windschutzscheibe einrahmte. Sie zwang sich, gleichgültig zu wirken.
    Es gelang ihr nicht. In ihren Augen schimmerten Tränen. Whiskey und Wasser. Verfluchtes Arschloch!, schimpfte Silas im Stillen.
    Wenn Silas Caleb Leigh in die Finger bekäme, würde er ihn für jede Träne, die Jessie seinetwegen vergossen hatte, bezahlen lassen.
    Silas knirschte mit den Zähnen. »Schau«, begann er, nur um sich gleich darauf auf die Zunge zu beißen. Denn Jessie hob in einer eckigen, wütenden Bewegung die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    »Interessiert mich nicht.« Sie sah ihn nicht einmal an.
    Verdammt. Was sollte, was konnte er jetzt noch sagen? Was hätte er tun können? Sie doch mit sich durch die Straßen in den unteren Ebenen schleifen? Ihr eine Zielscheibe in Neonfarben auf den Rücken pinnen und mit ihr als lebendem Köder vor der Nase der Zirkelleute herumwedeln? Sie zusehen lassen, wie er, der Jäger, ihren Bruder umbrachte, an dem sie so sehr hing?
    Verfluchte Scheiße, nein, ganz sicher nicht!
    Sie würde schon damit zurechtkommen. Silas wusste, dass Jessie unglaublich wütend sein und vorerst auch bleiben würde. Wütend zu sein aber und zu schmollen, solange sie wollte, war ein Luxus, den sie sich nur leisten konnte, weil sie oben in der Stadt und ohne Silas immerhin am Leben bliebe.

KAPITEL 15
    Silas trat das Gaspedal durch, und der Motor röhrte auf. Um sie herum waren die Motorengeräusche anderer Autos, das Hupen, das Sirren von Reifen auf abgefahrenem Asphalt, das Klappern und Scheppern alter Blechkarosserien, die Bewegungsgeräusche von fünfzig Jahre alten Metall- und Betonkonstruktionen, die sich um die Stadt schraubten. Von ganz unten, von der Unterstadt, hinauf bis ganz nach oben.
    Am Beifahrerfenster zog die rostige Leitplanke vorbei, die einen Sturz in die Tiefe verhindern sollte, in eine Tiefe, die Silas stets aufs Neue beeindruckte.
    Neben ihm saß immer noch schweigend Jessie und legte gerade die Fingerspitzen ans Beifahrerfenster. Sie starrte hinaus in das Zwielicht, das mit jeder Minute, die verging, heller wurde. Voller Stolz strebte die Stadt dem Himmel entgegen, eine engmaschig miteinander verwebte Abfolge von Schichten aus Stein und Metall, Glas und Stahl, verunziert nur von der dumpfen, wimmelnden Masse Mensch, die sich überall breitmachte.
    Viel zu viele Menschen. Mit viel zu vielen grandiosen Ideen. Aus genau diesem Grund hatte sich Silas die letzten vierzehn Jahre von größeren Städten möglichst ferngehalten. Menschenmassen machten ihn nervös.
    Naomi hatte ihn am sonnigen Ende einer Kommune in Florida aufgespürt. Er recherchierte gerade einige Gerüchte über einen kleineren Zirkel. Die Sonne, das Meer, die Brandung, die qualitativ hochwertigen Lebensmittel, die die Kommune selbst produzierte, hatten ihm gefallen.
    Vielleicht fände er, wenn das hier alles vorbei wäre, eine Möglichkeit, Jessie dorthin zu schicken. Ohne ihn.
    Unter ihren Fingern auf der Scheibe, jenseits der rostigen Leitplanke, war jetzt der Alte-See-Graben zu sehen. »Man hat so klare Sicht hier oben, und es ist so hell. In den unteren Ebenen vergisst man leicht, dass im Norden und Süden der Stadt der Graben liegt. Man … gewöhnt sich an die Dunkelheit.«
    Silas warf einen Blick hinüber, blickte wie Jessie durchs Beifahrerfenster hinaus. Er verzog das Gesicht. Gab es darauf noch etwas zu sagen? Die halbe Stadt lag jeden beschissenen Tag im Schatten der jeweiligen Ebene über ihr, im Schatten der hoch hinaufragenden Wolkenkratzer. Momentan hatten Jessie und er drei Viertel des Karussells hinter sich; noch zwei Ebenen bis zu den ersten Sicherheitskontrollen. Hier oben schien das Sonnenlicht bereits heller und wärmer. Die obersten Ebenen glitzerten im Licht wie ein Leuchtfeuer aus Kristall.
    »Caleb war fünfzehn, als er zum ersten Mal diesen verrückten Plan fasste zu fliegen.« Jessie schaute immer noch aus dem Fenster. Aber ihre Stimme verriet ihre innere Anspannung.
    Silas öffnete schon den Mund für eine Erwiderung, schmeckte

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