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DARK MISSION - Fegefeuer

DARK MISSION - Fegefeuer

Titel: DARK MISSION - Fegefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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sie aus der Kabine befreien, aus dem Wasser ans Land ziehen, sie aufwärmen. Sie verbinden.
    Mit durchgedrückten Armen stemmte Silas sich gegen den Beifahrersitz und trat mit beiden Beinen gegen die Fahrertür. Sie sprang auf, klemmte, wurde vom Druck des hereinströmenden Wassers wieder zugeschlagen. Silas biss die Zähne zusammen, trat noch einmal zu und noch einmal. Dreimal trat er zu, jedes Mal mit mehr Kraft, bis wilder Schmerz durch seine Knie schoss. Noch mehr Wasser floss durch die geborstene Scheibe.
    Der Truck erbebte, sank tiefer. »Verflucht, nein, Scheißdreck Herrgott noch mal, mach hinne!« Chancenlos gegen die Tür wandte sich Silas dem einzigen anderen Fluchtweg zu. So fest es seine tauben Finger zuließen, packte er den Rahmen der Windschutzscheibe und stemmte sich hinaus. Er kniete sich auf die Motorhaube, schob Kopf und Schultern wieder in die Fahrerkabine hinein, um Jessies schlaffen Körper unterzufassen.
    Im schwindenden Licht wirkte Jessie leichenblass. Ihre Lippen waren blau. Mit zärtlicher Sorge umfasste Silas sie, zog ihren reglosen Körper durch das schmale Schlupfloch in die Freiheit. Kopf, Schultern, Taille. Beine.
    Als Jessie aus der Kabine heraus war, drückte er sie an sich und stieß sich von dem Fahrzeug ab, das ihn brav durch vierzehn Jahre voller Missionen begleitet hatte.
    Das alte Gefährt hätte etwas Besseres verdient gehabt als dieses nasse Grab.
    Aber das galt auch für Jessie.
    Einen Arm eng um Jessies Brust geschlungen, hielt Silas ihr Gesicht übers Wasser, so gut er konnte. Mit Paddelbewegungen drehte er sich einmal um die eigene Achse, um sich zu orientieren. Um seine Chancen abzuschätzen.
    Irgendwo zwischen gering und beschissen.
    Eiskaltes Wasser. Es war viel zu dunkel. Auch das immer schwächer werdende Scheinwerferlicht des treuen Pick-ups, der langsam in die Tiefe sank, reichte nicht aus, um etwas zu erkennen. Keine Sterne zur Orientierung hier unten. Kein Wind.
    Silas schloss die Augen und sprach im Stillen ein inbrünstiges Gebet.
    Lass Jessie bitte wieder in Ordnung kommen!
    Lass sie am Leben!
    Wenn sie nicht in Ordnung wäre, nicht wieder in Ordnung käme, verdammt, dann würde Silas dafür sorgen, irgendwie, dass sie sich in Ordnung fühlte. Nur bitte, bitte, lass sie am Leben sein!
    Am ganzen Leib zitternd versenkte er die Lippen in Jessies Haarschopf.
    Sie beide waren doch schon mächtig weit gekommen, viel zu weit, um jetzt so zu enden, oder?
    Tief holte Silas Luft und stieß durchs Wasser auf das zu, was er für festes Land hielt, eine verzweifelte Hoffnung. Irgendein fester Untergrund täte es auch schon.
    Aber es dauerte nicht lange, und seine Muskeln brannten. Mit kräftigen Schwimmzügen trieb er sich und Jessie voran durchs Wasser, diagonal zu der Strömung, die ihn tiefer in den Graben hineinzöge, und dachte, das Brennen sei ein gutes Zeichen. Es zeigte, dass er sich bewegte, vorankam. Er musste nur immer in Bewegung bleiben.
    Der Alte-See-Graben hatte zwei Ufer. Eines von beiden würde Silas erreichen.
    Er hoffte nur, er fände auch einen Weg aus dem Wasser heraus, wäre er erst am Ufer, an den steilen Klippen der Grabenwand.
    Wie lange Silas so schon geschwommen war, wusste er nicht, oder seit wann er in seinen Beinen und Armen kein Gefühl mehr hatte. Mit jedem Schwimmzug trieb er sich und seine Last weiter auf das vermeintliche Ziel zu, war sich verzweifelt Jessies erschreckend reglosen Körpers bewusst, den er im Arm hielt. Sie war bewusstlos. Starb sie vielleicht gerade in seinen Armen?
    War sie gar schon tot?
    Herr im Himmel, nur das nicht! Daran durfte er nicht denken. Nicht jetzt, wo ihm mehr und mehr die Muskelkraft fehlte, weiter durchs Wasser zu stoßen. Das eisige Wasser ging ihm durch Mark und Bein, durchlöcherte seinen Panzer aus Willenskraft, nahm Silas die Energie. Aber er sollte zur Hölle fahren, wenn er jetzt aufgäbe! Sich der Kälte ergäbe. Der Tiefe.
    Der Angst.
    Etwas Massiges schob sich aus der Dunkelheit heraus auf Silas zu. Wellen liefen auf ihn zu, brachen sich über ihm, und neben ihm traf etwas auf dem Wasser auf.
    Silas wich zurück, verlor seinen Rhythmus und ging unter wie ein Stein. Das eiskalte Wasser schlug über seinem Kopf zusammen, über Jessies Kopf.
    Ertrinken. Sie beide, Jessie und er, würden ertrinken.
    Silas begann zu kämpfen, hielt der Strömung entgegen. Seine Ohren waren voller Wasser; der Wasserdruck schob ihn nach unten. Mit seiner wertvollen Last drehte sich Silas um die eigene Achse.

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