DARK MISSION - Fegefeuer
so viel allein von ihr abhing.
Nicht, wo es noch so vieles gab, das sie tun wollte.
Wo es noch so viel zu sagen gab.
»Halt dich fest!«, brüllte Silas, und Jessie umklammerte seine angespannten Muskeln. Da sprengte die Magie die Fesseln, die sie in Jessie hielten. Jessie ließ es zu, ließ los, klinkte sich selbst aus und in das Netz der Magie ein, dort, wo deren fein gesponnene Fäden zusammenliefen.
Jessie sah die Gegenwart, sah den Pick-up mit der Schnauze voran in die Finsternis stürzen. Sie sah das Ende dieses tiefen Falls.
Ein Aufschlag auf Wasser. Tiefes Wasser.
Eine Chance .
Zum zweiten Mal erwachte Silas’ Schutzzeichen knisternd zum Leben, dieses Mal, weil Jessies Magie ihn und sie umhüllte. Mit allem, was Jessie zu geben hatte, pumpte sie die Hülle aus Magie auf, mit jedem bisschen Angst und Entschlossenheit, das sie in sich trug. Sie steckte auch dieses zarte Gefühl hinein, noch so klein und noch voller Unsicherheit, sodass sie für dieses Gefühl keinen Namen hätte nennen können. Auch damit, mit diesem zerbrechlichen, gerade erst aufkeimenden Wunsch, speiste sie ihre magischen Kräfte.
Es war nur ein dünnes Polster. Doch vielleicht würde es reichen, um den Aufprall abzumildern.
Jessie biss die Zähne zusammen. »Achtung …!«
Der Truck schlug auf, tauchte ins eisige Wasser. Es zerschmetterte die Windschutzscheibe. Gleißend weiß wurde vor Jessies Augen, was zuvor schattenhafte Dunkelheit gewesen war. Dann wurde ihr schmerzrot vor Augen. Schließlich verwandelte sich das Rot in endlose schwarze Leere.
KAPITEL 16
Die Zeit stand still.
Alles erstarrte zu lautloser Leere, als plötzliche Stille die Welt verschluckte.
In seinem eisigen Grab zitterte Silas vor Kälte. Es war bitterkalt; die Kälte fraß sich ihm durch Mark und Bein. War er am Leben?
War er tot?
Was er spürte, hatte nichts zu tun mit Leichtigkeit, nichts mit friedvoller Heiterkeit. Aber immerhin war der Tod verdammt viel weniger blutig, als er ihn sich immer vorgestellt hatte.
Silas war kalt. Nass. Aber er war nicht allein. Jessie!
Mit einem Ruck kam Silas zu sich, würgte bereits an einem Atemzug voll Eiswasser. Seine Lungen brannten, seine Kehle war schmerzhaft rau, als er das Wasser ausspuckte. Stoßweise hustete er es aus, kämpfte gegen die eisigen Wellen, die über das Armaturenbrett schwappten.
Allmählich füllte sich die Fahrerkabine mit Wasser, neigte sich zur Seite. Das Eiswasser ging Silas schon bis zu den schmerzenden Rippen, stieg höher und höher. Keine Zeit. In der Dunkelheit ruderte Silas mit den Armen, suchte nach Jessie.
»Jessie?!«
Er konnte nichts sehen. Er konnte nichts hören außer dem bedrohlichen Gurgeln des rasch und rascher eindringenden Wassers und dem Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren. Er musste unbedingt etwas sehen. Er musste unbedingt wissen, ob Jessie in Ordnung war. »Halte durch!«, röchelte er und hoffte, dass, verdammt noch mal nicht nur mit der Luft sprach.
Während Silas vor Kälte mit den Zähnen klapperte, tastete er sich das verbogene Lenkrad entlang. Drei verzweifelte Versuche dauerte es,ehe er zu seiner Erleichterung den Schalter für die Innenbeleuchtung fand.
Ein vom Wasser gebrochenes Glimmen tauchte die Fahrerkabine in gespenstisches Licht.
Klar und deutlich war jetzt Jessies Körper zu erkennen. Sie lag zusammengesunken über dem Armaturenbrett, ihr Gesicht ein blutroter Fleck im vom Wasser gefilterten Licht. Sie bewegte sich nicht. Ihre Augen waren geschlossen. Silas’ Herz krampfte sich zusammen; Panik überfiel ihn.
»Jessie!« Unempfindlich gegen jeden Schmerz riss Silas an den Resten vom Lenkrad und am Gurt, befreite sich. Das immer höher steigende Wasser leckte an Jessie und an ihm, als er sie erreichte und ihr zitternde Finger an die Halsschlagader legte. »Mach schon, Sonnenschein«, stieß er heiser hervor, »nun mach schon … ja, da! Guter Gott, bitte!« Er spürte ein schwaches Flattern unter seinen Fingern. Herzschlag. Oder hatte er sich das, so taub wie seine Finger waren, nur eingebildet?
Scheiße, verfluchte Scheiße!
Mit blauen Lippen gab er jeden Fluch von sich, den er kannte, bis er den Türgriff auf der Fahrerseite fand. Gebrochene Rippen. Die Knie pochten, als hätte er mit ihnen den Sturz aufgefangen. Unterkühlung mit ihren Folgen lauerte als Nächstes.
Das alles hatte keinerlei Bedeutung. Nichts davon war von Bedeutung; also würde er sich durch den Schmerz hindurchbeißen. Jessie musste hier raus. Silas musste
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