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DARK MISSION - Fegefeuer

DARK MISSION - Fegefeuer

Titel: DARK MISSION - Fegefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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aber deren Gift schon auf der Zunge. Er hielt die Klappe.
    »Caleb hat eine Zeichnung von seinem Fluggerät gemacht.« Über Jessies Lippen perlte ein kleines Lachen, dünn und zerbrechlich wie Glas. »Es hatte Flügel. Mit Federn und allem. Er sagte, er wolle vom Karussell springen und hinuntergleiten bis hinein ins Herz des Alten-See-Grabens.«
    Silas schüttelte den Kopf und umfasste das Lenkrad fester, als ein schwerer Lastwagen mit Auflieger und Hänger an ihnen vorbeidonnerte. »Klingt nach einer ziemlich abgefahrenen Idee.«
    Jessie nickte. Aber sie blickte nicht zu ihm herüber. Es gefiel ihm nicht, dass er sich wünschte, sie täte es. »Er sagte, dort unten gäbe es Wunderbares zu entdecken, Abenteuer und Schätze. Er wollte so einen Schatz finden.«
    »Wird man sicher. Sofern man auf Lava steht«, bemerkte Silas trocken.
    Jetzt endlich blickte Jessie zu ihm herüber. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »So ziemlich alles kann ein Schatz sein, wenn man fünfzehn ist.«
    »Hast du je einen Schatz gefunden, Jessie?«
    Am liebsten hätte sich Silas die Zunge abgebissen, als das Leuchten, das Jessies Gesichtszüge eben noch aufgehellt hatte, zusammen mit dem Lächeln erlosch. »Ich musste nie nach einem Schatz suchen. Ich hatte ja Caleb.«
    Den Bruder, der, wie sich herausgestellt hatte, ein Hexer war. Einen kurzen, ungestümen Moment lang wünschte sich Silas, er wäre diesem kleinen Mädchen begegnet, das Jessie so fein säuberlich in ihrer Erinnerung weggeschlossen hatte, in einem Raum mit der Aufschrift Vergangenheit . Dass er sie gekannt hätte, ehe die Schatten sich über ihre bernsteinfarbenen Augen gelegt hatten und in ihr Herz gekrochen waren, ehe es Schuld und Trauer in ihrem Leben gegeben hatte. Silas schüttelte den Kopf. »Weißt du, Sonnenschein, ich …«
    Ihre Augen weiteten sich. Panik stand in ihren goldbraunen Augen, etwa eine Nanosekunde, bevor der Schild des heiligen Andreas erste Funken schlug und dann mit Macht aufloderte.
    Schmerz durchschlug Silas’ Handgelenk und raste seinen Arm hinauf. Jessie streckte die Hand nach Silas aus, sagte etwas, das er nicht hörte, weil ihm das Blut in den Ohren rauschte. Jeder Muskel in seinem Körper straffte und versteifte sich. Sein Sichtfeld schmolz zusammen, alles wurde undeutlich, verschwommen. Er sah wie durch Nebelschwaden hindurch; alles war grau in grau. Aber Silas musste auch nichts sehen, um zu wissen, dass seine Arme starr waren und seine Hände wie eingerastet auf dem Lenkrad lagen.
    Silas kämpfte dagegen an. Nein! Er schrie es in sich hinein und nochmals: Nein! Muskeln zuckten unter seiner Haut, als Silas mit aller Kraft versuchte, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen. Aber seine Muskeln bewegten sich ohne sein Zutun. Er konnte nur zusehen, wie der Pick-up mit aufröhrendem Motor erbebte und zur Seite ausscherte.
    Er beobachtete fassungslos wie seine Hände das Lenkrad herumrissen und den schweren Wagen auf die Leitplanke zusteuerten.
    Jessie warf sich in Richtung Fahrersitz, wollte ins Lenkrad greifen. Sie gab einen erstickten Laut von sich, als der Sicherheitsgurt anzog und sie in ihrem Sitz festhielt.
    Funken stoben hinaus ins Nichts, als der Pick-up in die Leitplanke knallte. Schrilles Kreischen, als Metall an Metall entlangschrammte, eingedrückt wurde, sich verbog. Auf dem nassen Asphalt rutschte der schwere Wagen weiter. Jenseits der Windschutzscheibe gähnte bereits der bodenlose Abgrund des Alten-See-Grabens. In seinen Tiefen, überall dort, wo keine Lichter der Stadt den Graben mehr erreichten, lag er in gespenstischer, pechschwarzer Nacht. Die Finsternis des Grabens verschluckte die Grundfesten der Stadt, eine endlos wirkende bodenlose Leere unterhalb der Karussell-Südseite.
    Silas drehte sich der Magen um.
    »Scheiße!« Ganz plötzlich gehorchten Silas’ Muskeln ihm wieder. Augenblicklich handelte er, packte das Lenkrad, riss es herum. Doch es war zu spät.
    Der Wagen war zu schwer, zu schnell, zu heftig in die Leitplanke gekracht. Die Leitplanke gab nach. Das scharfkantige Metall riss die Karosserie tief auf und bohrte sich in die Fahrertür, in Silas’ Bein. Heißer, hässlicher Schmerz zerriss den Schock. Der plötzlich gestoppte Schwung des schweren Wagens aber schleuderte Silas gegen das Lenkrad, das Gesicht voran auf die Lederummantelung. Um den Pick-up herum plärrten Hupen, quietschten Reifen, aber alles, was Silas hörte, war das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren.
    Das wilde

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