Dark Moon
Rettungsanker, den ihm Randolph Merger aber bisher verweigert hatte.
»Ja.« Mark grinste breit. »Jetzt werden die Karten neu gemischt.«
»Das sind hervorragende Nachrichten!« Ich ergriff über den Tisch hinweg seine Hand.
Mark schaute auf die Uhr. »Lass uns zahlen.«
»Und dann?«, fragte ich.
Er grinste. »Sehen wir uns den Sonnenuntergang an.«
Es wurde bereits dunkel, als wir mit Marks Yamaha nach West Vancouver zurückfuhren und das Motorrad vor der Barriere zum Lighthouse Park abstellten. Mark holte aus dem Motorradkoffer eine Decke und eine Taschenlampe.
»Du bist ja gut vorbereitet«, sagte ich.
»Als du mir erzählt hast, dass der Käfer Schrott ist, habe ich für heute Abend etwas vorbereitet.« Er nahm meine Hand. »Komm«, flüsterte er.
Kichernd stolperten wir durch den Wald. Leichter Nebel stieg auf. Die Luft war feucht und schwül. Schwere Wolken verdeckten immer häufiger den zunehmenden Mond, der durch die Wipfel der riesigen Douglasien schien. Wir hatten schon lange keinen Abend mehr am Strand verbracht, und ich hoffte, dass wir ihn heute ganz für uns haben würden.
Mark schaltete die Taschenlampe an. Es war eine Mini-Maglite mit LED-Leuchten, die die Bäume in ein kaltes, blaues Licht tauchten und die Schatten tanzen ließen. Ich stieß einen kurzen Schrei aus, als ein Tier, vielleicht ein Waschbär, unseren Weg kreuzte. Für einen kurzen Moment starrten uns leuchtend grüne Augen an, dann huschte der Schatten weiter. Ich lachte erleichtert und Mark zog mich hinter sich her. Nach zweihundert Metern traten wir aus dem Wald heraus und sahen den Leuchtturm von Point Atkinson vor uns aufragen.
Statt den Weg weiter zur Landspitze zu gehen, hielten wir uns rechts. Ich spürte, wie Marks Hand sich unter mein T-Shirt schob und meinen Rücken hinaufwanderte.
»Warte«, flüsterte ich. »Nicht so ungeduldig. Lass uns hinunter zum Strand gehen.«
»Warum?«, fragte Mark mit gespielter Verwunderung und hauchte mir einen Kuss auf den Hals. »Hast du Angst, jemand könnte uns erwischen? Vielleicht der Waschbär, der dir vorhin Hallo gesagt hat?«
»Quatschkopf.« Obwohl ich das Gefühl hatte, hier oben bei den Felsen wie auf einem Präsentierteller zu liegen, gab ich nach und breitete die Decke aus. Dann packte ich Mark bei der Gürtelschnalle und zog ihn zu mir heran. Er grinste wie ein Junge, der am Weihnachtsmorgen endlich die Geschenke auspacken darf. Wir küssten uns leidenschaftlich und legten uns auf die Decke. Plötzlich hielt Mark inne. Er hob den Kopf und schaute an mir vorbei.
»Was ist?«, flüsterte ich. Er legte einen Finger an die Lippen und deutete auf zwei Schatten, die Hand in Hand am Strand entlangspazierten. In diesem Augenblick rissen die Wolken auseinander und gaben den Mond frei.
»Emilia«, wisperte Mark.
Jetzt erkannte ich sie auch. »Aber wer ist der Mann neben ihr?«
Mark zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Wenn er hier wohnt, muss er erst vor wenigen Tagen hergezogen sein.«
»Er ist jung!«, sagte ich überrascht.
Emilia und der Mann, der die hochgewachsene Frau um einen halben Kopf überragte, küssten sich. Im fahlen Mondschein konnte ich nur seine Haare sehen. Sie waren pechschwarz und bis auf eine breite Strähne, die eine Hälfte seines Gesichts verdeckte, kurz geschnitten. Die Umarmung der beiden hatte etwas so Verzweifeltes, dass auch ich traurig wurde.
»Lydia?« Mark berührte mich sanft an der Schulter. »Lass uns gehen. Ich komme mir wie ein Spanner vor.«
Enttäuscht legte ich die Decke zusammen und warf noch einen kurzen Blick zurück, aber Emilia und ihr geheimnisvoller Liebhaber waren verschwunden. Dann machten wir uns auf den Weg zurück zum Motorrad.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Wir könnten noch woanders hinfahren.«
»Nein, ist schon in Ordnung. Es ist ohnehin schon spät.« Meine Uhr zeigte fünf nach elf. Um diese Zeit begann der Freitagabend eigentlich erst. Aber die romantische Stimmung war zerstört und wir schlugen den Heimweg ein. Das ungleiche Liebespaar wollte mir jedoch während der ganzen Fahrt nicht aus dem Kopf gehen.
Kapitel
M ark und ich verbrachten das Wochenende in einer Hütte oben am Garibaldi-See und holten dort nach, was wir Freitagnacht versäumt hatten. Es waren zwei herrliche Tage, in denen uns niemand störte. Wir tranken Bier, wanderten durch die Wälder und schwammen nackt im See. Als ich am Sonntagabend glücklich, aber von Mückenstichen übersät nach Hause kam, wurde ich von
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