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Dark Moon

Dark Moon

Titel: Dark Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Knightley
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deutete auf einen Sticker, der das Handschuhfach zierte: »I drove the Alaska Highwa y – yes, dammit! Both ways!«
    »Sie sind bis ganz in den Norden hinaufgefahren?« fragte ich.
    Emilia nickte.
    »Alleine?«, fragte ich ungläubig.
    »Nein«, sagte sie. »Mit einem guten Freund bin ich zur Beaufort Sea am Polarkreis gereist.«
    »Gibt es da überhaupt noch Straßen?« Ich erinnerte mich daran, dass weite Teile der Northwest Territories normalerweise nur mit dem Flugzeug erreicht werden konnten.
    »Im Winter schon«, sagte Emilia. »Dann ist das Eis auf den Seen so dick, dass es sogar schwere Sattelzüge trägt.«
    Ich war verwirrt. »Moment: Sie wollen mir erzählen, dass Sie mit diesem Auto quer durch den Norden Kanadas gefahren sind?«
    Emilia lachte. »Natürlich nicht! Mit dem Nissan wären wir vermutlich noch nicht einmal bis Whitehorse gekommen. Wir hatten schon einen etwas robusteren Wagen.«
    »Und was haben Sie dort oben gemacht?« Ich konnte mir noch immer nicht vorstellen, dass jemand aus reinem Vergnügen all diese Strapazen auf sich nahm. »Im Winter herrscht dort Polarnacht. Irgendwann geht die Sonne überhaupt nicht mehr auf.«
    »Wir haben etwas gesucht«, erwiderte Emilia nur.
    »Und? Waren Sie erfolgreich?«
    »Nein, leider nicht«, sagte Emilia. »Zumindest nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten.«
    Ich wollte noch weiterfragen, als ein Mann gegen das Fenster klopfte; die Kapuze seiner Allwetterjacke hatte er tief ins Gesicht gezogen. Emilia ließ die Scheibe nach unten surren.
    »Haben Sie mich gerufen?«, fragte er.
    Emilia nickte. »Es geht um den Käfer da vorne.«
    Der Mann drehte sich um und runzelte die Stirn. »Oh«, sagte er nur.
    Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, also stieg ich zusammen mit Emilia aus. Erst jetzt sah ich den Abschleppwagen, der mit blinkenden Lichtern hinter uns stand.
    Der Mann ging um mein Auto herum und kniete sich hin, um die Unterseite der Heckpartie mit einer Taschenlampe genauer zu untersuchen. Emilia hatte ihren Schirm aufgespannt und hielt ihn über mich, denn ich fror so sehr, dass ich mit den Zähnen klapperte.
    »Der fährt nirgendwo mehr hin«, sagte der Mechaniker. Er schaltete die Taschenlampe aus und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Sind Sie mit ihrem Pick-up hinten reingefahren?«
    »Ich bekenne mich schuldig«, sagte Emilia und lächelte.
    »Treffer und versenkt. Der Rahmen ist nicht nur verzogen, sondern auf der linken Seite in der Nähe der Achse auch gebrochen. Und damit haben Sie der jungen Dame noch einen Gefallen getan, sonst wäre die Kiste von der Polizei aus dem Verkehr gezogen worden.« Er holte ein Klemmbrett aus dem Abschleppwagen. »Also, was wollen Sie mit dem Käfer machen?«, fragte er mich.
    Der VW war mein erstes Auto gewesen und ich hatte ihn von meinem eigenen Geld bezahlt! Ich konnte ihn doch nicht so einfach der Schrottpresse überlassen.
    »Ich kann Ihnen die Kiste gerne in eine Werkstatt schleppen, aber ganz im Ernst: Jeder Cent, den Sie da noch reinstecken, ist ein Cent zu viel. Ich gebe Ihnen noch fünfhundert Dollar.«
    »Weil Sie ihn ausschlachten wollen«, stellte ich fest.
    »Ja. Ich kenne ein paar Leute, die das eine oder andere Teil noch gebrauchen können. Aber viel ist an der Rostlaube nicht mehr dran.«
    Ich seufzte und unterschrieb das Todesurteil für mein Auto. Der Mann zeichnete gegen und reichte mir den Durchschlag.
    »Bringen Sie die Papiere vorbei, dann gebe ich Ihnen den Kaufvertrag.« Er tippte sich an die Kapuze. »Schönen Tag noch, die Damen.«
    Emilia legte den Arm um meine Schulter. »Es tut mir leid«, sagte sie und drückte mich.
    »Es muss Ihnen nicht leidtun«, erwiderte ich. »Sie haben es ja selbst gehört: Eigentlich haben Sie mir einen Gefallen getan.«
    Ich ging zum Wagen und nahm meine Tasche vom Rücksitz. Traurig räumte ich den Inhalt des Handschuhfachs hinein: eine Schminktasche, eine Straßenkarte und die uralte Bedienungsanleitung des Käfers, die ich als Andenken behalten wollte. Emilia nahm die Einkäufe.
    »Die sind nicht für mich, sondern für meine Großmutter«, sagte ich.
    »Dann soll sie sie auch bekommen. Ich fahre dich hin.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Hör auf, dich zu bedanken!«, sagte Emilia ungehalten. »Es ist meine Schuld, dass du kein Auto mehr hast und zitternd im Regen stehst.«
    Als wir in den Nissan einstiegen, wurde mein Käfer auf den Abschleppwagen gezogen. Ruhe in Frieden, dachte ich und musste fast schon wieder lachen.
    »1065, Prospect

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