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Dark Moon

Dark Moon

Titel: Dark Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Knightley
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Streichmusik drang gedämpft nach draußen. Ich drückte die Klingel und wartete. Niemand öffnete.
    Ich zog mir wieder die Jacke über den Kopf und lief fluchend im Regen um das Haus herum, die Treppe hinauf und zur Terrasse. Der Tisch drinnen war liebevoll für zwei Personen gedeckt. Vor jedem Teller stand eine kleine Vase mit schwarzen Orchideen. Ich klopfte gegen die Fensterscheibe.
    »Emilia?«
    Da sah ich ihre Hand, die am Boden hinter der Küchenbar hervorragte. Sie war gestürzt! In Panik trommelte ich gegen die Glasscheibe.
    »Emilia! Machen Sie auf!«
    Keine Reaktion. Die Musik spielte weiter.
    »Emilia!« Ich schrie so laut, dass sich meine Stimme überschlug. Verzweifelt sah ich mich nach einem schweren Gegenstand um und schnappte mir schließlich einen der Gartenstühle. Mit aller Kraft holte ich aus und warf ihn gegen die Verandatür. Glas splitterte, die Musik hallte laut wie in einem Orchestersaal. Scherben knirschten unter meinen Sohlen, als ich durch das Wohnzimmer zur Küche lief.
    »Oh nein!«, wimmerte ich. Vor mir lag Emilia, die Augen halb geschlossen, neben ihr ein Küchenmesser und die grünen Ringe einer klein geschnittenen Schalotte. Ich ging in die Knie und legte meinen Kopf auf ihre Brust. Ihr Herz schlug noch!
    »Bitte«, rief ich. »Wachen Sie auf!«
    Emilias Atem ging schwer und rasselnd. Die linke Seite ihres Gesichtes sah aus, als zöge eine unsichtbare Kraft Mund, Wange und Augenlid nach unten. Ich nahm sofort mein Telefon aus der Hosentasche und wählte die 911.
    »RCMP, was kann ich für Sie tun?«, fragte eine männliche Stimme.
    »Ich brauche dringend einen Krankenwagen in die 5113, Water Lane.« Ich schrie die Worte fast ins Telefon.
    »Um was für eine Art von Notfall handelt es sich?«, fragte der Mann.
    »Eine alte Frau ist zusammengebrochen, ich weiß nicht, was mit ihr ist. Ihr Gesicht…« Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte. »Also, eine Hälfte sieht irgendwie verschoben aus.«
    »Wir schicken sofort jemanden zu Ihnen heraus. Wie ist Ihr Name?«
    »Lydia Garner.«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind, M s Garner. Es ist gleich jemand bei Ihnen!«
    Bleiben Sie, wo Sie sind! Was dachte dieser Blödmann? Dass ich erst mal einen Kaffee trinken ging? Ich kniete mich hin und bettete Emilias Kopf auf meinen Schoß. Sie öffnete das rechte Auge und blickte mich ängstlich an. Ich drückte ihre Hand.
    »Alles wird gut«, flüsterte ich.
    Emilia versuchte etwas zu sagen, aber aus ihrem Mund kam nur ein unverständliches Lallen. Irgendetwas schien mit ihrem Kopf passiert zu sein. Ein Schlaganfall? Mom, ich muss Mom anrufen, schoss es mir durch den Kopf. Immerhin war sie Ärztin. Wenn es jemanden gab, der mir sagen konnte, was ich tun musste, dann sie. Zitternd wählte ich ihren Namen im Adressbuch meines Handys an.
    »Mom?«, rief ich tränenerstickt.
    »Lydia? Um Gottes willen, was ist los? Wo bist du?«
    »Ich bin bei Emilia«, schluchzte ich. »Sie hat nicht aufgemacht, als ich an der Tür geklingelt habe, und da bin ich hinten rum über die Terrasse.«
    »Lebt sie noch?«, unterbrach mich meine Mutter.
    Was war das für eine Frage? »Ja«, antwortete ich überrascht. »Aber es geht ihr sehr schlecht. Sie ist zusammengebrochen. Ich habe eine Ambulanz gerufen. Ich hoffe, der Notarzt wird gleich da sein. Mom, was soll ich tun?«
    »Kind, du wirst ihr nicht helfen können«, sagte meine Mutter mitfühlend. »Sie hatte ein Aneurysma im Gehirn, das vermutlich geplatzt ist.«
    Ich war verwirrt. Woher wusste sie, was für eine Krankheit Emilia hatte? »Was ist ein Aneurysma, Mom?«
    »Ein erweitertes Blutgefäß.« Sie klang jetzt auf einmal traurig. »M s Frazetta war letzte Woche bei mir im Krankenhaus und hat nach einer zweiten Meinung gefragt.«
    »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«, schrie ich ins Telefon.
    »Weil ich an die ärztliche Schweigepflicht gebunden bin, Lydia.«
    Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Emilia hatte die ganze Zeit eine tickende Zeitbombe im Kopf gehabt und niemand von uns hatte es ihr angemerkt! Sie war fröhlich gewesen, als hätte sie noch Jahre vor sich gehabt. »Lydia? Bist du noch dran?«, fragte meine Mutter.
    »Ja.«
    »Du kannst nichts für sie tun, außer bei ihr zu bleiben«, sagte sie.
    »Sie wird sterben, nicht wahr?« Meine Stimme zitterte.
    »Das wird sie.«
    »Meinst du, sie weiß, was hier geschieht?«
    »Da bin ich mir ganz sicher. Sie wird wissen, dass du bei ihr bist.« Wie zur Bestätigung drückte mir Emilia noch einmal die

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