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Dark Moon

Dark Moon

Titel: Dark Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Knightley
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und ließ mich immer an ihrer Leidenschaft teilhaben, nur dass ich im Gegensatz zu ihr noch schmale Hüften hatte. »Das ist dein irisches Erbe«, sagte sie immer. »Wer Vorfahren hat, die von einer Insel stammen, auf der Hungersnöte Teil des kulturellen Erbes sind, dem können diese Zuckerbomben nichts anhaben.«
    Ich klingelte an der Tür und wartete. Ein paar Jungs versuchten, mit ihren BMX-Rädern so stylish wie möglich über eine selbst gebaute Rampe zu springen, während schwarz gefärbte Emo-Mädchen in Slip Ons gelangweilt auf der Bordsteinkante hockten und Kaugummi kauend ihre Handys bearbeiteten. Als sich im Haus nichts rührte, drückte ich noch einmal auf die Klingel, trat einen Schritt zurück und spähte zu den geschlossenen Fenstern hinauf.
    »Wir haben die alte Dame heute noch nicht gesehen«, sagte eines der Mädchen und tippte dabei weiter ihre SMS. »Normalerweise fuhrwerkt sie um diese Zeit schon im Garten herum. Sollen wir jemanden anrufen? 911?«
    »Nein, danke«, erwiderte ich. »Ich habe einen Schlüssel.«
    »Wie Sie meinen, Missus.«
    Missus? So hatte mich noch niemand genannt, schon gar nicht ein Mädchen, das gefühlte zwei Jahre jünger war als ich. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Es roch nach Kuchen und Reinigungsmitteln.
    »Grandma?«, rief ich ängstlich. »Wo steckst du?«
    Ich warf die Tür zu und schaute mich um. Es war noch nicht allzu lange her, dass ich Emilia zusammengebrochen in ihrem Haus gefunden hatte. Ich betete, dass mir diesmal ein solcher Anblick erspart blieb.
    »Grandma! Sag bitte was!«
    Die Küche war aufgeräumt und sauber, ebenso das Wohnzimmer.
    »Granny!« Meine Stimme bekam einen schrillen Oberton. »Wo bist du?«
    Ich erhielt nur ein leises Stöhnen zur Antwort, das aus einem der oberen Zimmer drang. Sofort rannte ich die Treppe hinauf.
    Grandma lag in ihrem Bademantel auf dem Schlafzimmerteppich. Ich stieß einen Schrei aus und war mit einem Satz bei ihr.
    »Was machst du denn da?«, rief ich erschrocken.
    Als ich ihr mühsam aufs Bett half, murmelte sie etwas Unverständliches. Ich zückte auf der Stelle mein Handy.
    »Wen willst du anrufen?«, wisperte sie matt.
    »Mom, wen denn sonst?«
    »Wenn du das tust, sind wir geschiedene Leute«, erwiderte sie mit schwacher Stimme. Trotzdem zweifelte ich keine Sekunde, dass sie es ernst meinte.
    Ich zögerte einen Moment, dann steckte ich das Telefon weg. »Warum?«
    Grandma streckte sich seufzend aus und schloss die Augen. »Weil Nancy mich dann in ein Altersheim steckt. Sie wartet doch nur darauf, dass ich ihr einen Vorwand liefere.«
    »Und du meinst, sie liegt total falsch, wenn sie den Verdacht hat, dass du alleine nicht mehr zurechtkommst«, erwiderte ich unbeeindruckt.
    »Natürlich liegt sie falsch!«, krächzte Grandma empört. Sie nahm meine Hand. »Ganz im Ernst: Deine Mutter ist die beste aller Töchter. Aber ihre belehrende Art geht mir ganz schön auf die Nerven.«
    Darauf erwiderte ich nichts. Sollten die beiden das doch unter sich ausmachen. Einmal hatte ich versucht zu vermitteln. Die Folge war, dass am Schluss keine von beiden mehr mit mir sprach.
    »Du hattest Glück, dass ich vorbeigekommen bin.«
    Grandma machte eine wegwerfende Handbewegung. »Glück, Schicksal, Zufall. Das ist mir einerlei. Wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich es akzeptieren.« Sie öffnete die Augen. »Das ist der Lauf der Dinge. Man wird geboren, wird groß, bekommt hoffentlich selber Kinder und segnet irgendwann das Zeitliche. Leben und Tod sind das Natürlichste der Welt. Die Menschen sollten aufhören, so ein Tamtam darum zu machen.«
    »Emilia ist tot. Ich war bei ihr, als sie starb.« Ich wusste nicht, warum ich das auf einmal sagte. Und in dem Moment, als mir diese beiden Sätze über die Lippen kamen, bereute ich es auch schon, denn plötzlich schien meine Großmutter hellwach. Ihr Blick war allerdings nur schwer zu deuten.
    »Wie ist es mit ihr zu Ende gegangen?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    »Sie ist an einer Hirnblutung gestorben. Emilia wusste wohl, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Gestern war die Beerdigung.« Ich lachte bitter. »Da war nicht gerade großer Andrang. Nur Mom, Dad, M s Dupont und ich und ein Anwalt aus New York, der angeblich Emilias Nachlassverwalter ist.«
    »Wie ist sein Name?«, fragte sie.
    »Charles Solomon«, antwortete ich verwirrt über die plötzliche Schärfe in ihrem Ton. »Kennst du ihn?«
    Grandma richtete sich im Bett auf und ihr Blick

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