Dark Moon
Stöhnen. »Hast du uns etwa ins Bett gebracht?«, fragte er mich.
»Nein, das habt ihr noch alleine geschafft.«
»Ich kann mich an die Beerdigung und diesen seltsamen Anwalt erinnern«, sagte er. »Aber dann ist alles weg.«
»Der Scheck!« Mom sprang auf, musste sich aber am Bettpfosten festhalten, um nicht umzukippen. Sie bückte sich ächzend nach ihrer Hose und zog erleichtert die Bankanweisung aus der Innentasche ihrer Kostümjacke.
Mein Vater sah Mom verwirrt an. »Haben wir uns vielleicht ein Virus eingefangen, Nancy? Hat uns irgendeine Infektion flachgelegt?«
Mom hatte sich wieder auf die Bettkante gesetzt und starrte noch immer fassungslos auf den Scheck. Dann wandte sie sich an mich. »Was war gestern mit uns los?«
Fieberhaft suchte ich nach einer passenden Antwort. Die Vollmacht, von der Solomon gesprochen hatte, war mit Sicherheit eine Lüge gewesen, die ihm Zugang zum Haus in der Water Lane verschaffen sollte. Auf der anderen Seite: Ein mächtiger Mann wie er musste doch andere Möglichkeiten haben, um dort reinzukomme n – legale oder illegale. Solomons Verhalten ergab einfach keinen Sinn.
»Lydia!«
Ich schreckte hoch. »Hm?«
»Was ist gestern mit uns passiert?«, fragte meine Mutter noch einmal.
»Kurz nach der Beerdigung hattet ihr Kreislaufprobleme«, log ich. »Ich wollte euch erst ins Krankenhaus fahren, aber du hast dich dagegen gewehrt. Ihr wolltet nur noch nach Hause ins Bett.«
Dad warf einen Blick auf den Sessel und die Decke. »Und du hast die ganze Zeit bei uns gesessen?«
Ich nickte.
»Danke, das war wirklich lieb von dir«, sagte meine Mutter gerührt.
Dad hob schnuppernd die Nase. »Ich rieche Kaffee.«
»Stimmt. Das Frühstück ist fertig.«
Keiner von uns war ein Morgenmuffel, aber ich spürte, dass meinen Eltern der verlorene Tag zu schaffen machte. Besonders Dad litt noch immer an den Folgen seines Blackouts. Er brauchte beinahe zehn Minuten, um einen Toast zu schmieren. Und auch ich aß still meine Frühstücksflocken. Durch den Tod Emilias war ein Schatten auf mein Leben gefallen. Obwohl sie mich belogen hatte, konnte ich nicht glauben, dass sie eine Kriminelle gewesen war, auch wenn sie eine Präzisionswaffe mit Schalldämpfer zu Hause gehabt hatte.
Als ich aus meinen Grübeleien erwacht war, räumte ich den Tisch ab, warf die Spülmaschine an und schnappte mir das Telefon. Mark musste um diese Zeit schon in M r Sheldons Archiv sein.
»Hi, Mark.«
»Hallo, Süße.« Im Hintergrund hörte ich das Surren und Klackern des Scanners. »Wie war die Beerdigung?«
»Wir waren nur zu fünft. Außer meinen Eltern, mir und deiner Mum war nur noch ein einziger Trauergast da: Charles Solomon. Er ist Chef einer großen Anwaltskanzlei und behauptet, er sei Emilias Nachlassverwalter.«
»Hat er sich ausgewiesen?« Mark klang unaufmerksam. Er schien während des Gesprächs weiterzuarbeiten und aus irgendeinem Grund irritierte mich das.
»Ja«, sagte ich. »Mit einem Fünfzehntausend-Dollar-Scheck.«
Am anderen Ende war ein dumpfes Geräusch zu hören, gefolgt von einem Fluchen. »Entschuldigung, was hast du gerade gesagt? Ich habe mich wohl verhört! Mit einem Fünfzehntausend-Dollar-Scheck?«
»Ja. Könntest du bitte im Archiv des Standards nachsehen, ob ihr etwas über Charles Solomon habt?«
»Klar, mach ich«, sagte Mark. »Ich weiß allerdings nicht, wie weit wir mit der Erfassung der einzelnen Jahrgänge sind. Wenn es die Artikel nur auf Mikrofilm gibt, wirst du dich selbst vors Lesegerät setzen müssen. Aber ich frage mal M r Sheldon. Vielleicht erinnert er sich ja an irgendein Ereignis in Zusammenhang mit diesem Anwalt. Sehen wir uns heute Abend?«
»Ich wollte noch zu Grandma rausfahren und weiß nicht, wann ich wieder zu Hause bin.«
»Okay. Dann melde ich mich, wenn ich etwas herausgefunden habe. Bis dann! Ich liebe dich.«
»Ich dich auch«, sagte ich.
Kapitel
N ach allem, was geschehen war, hätte ich einen sinnlos verbrachten Tag am heimischen Pool nicht ertragen. Großmutter ging es zwar besser, aber den wöchentlichen Putztag konnte sie auf keinen Fall allein bewältigen. Also machte ich mich auf den Weg zu ihr.
Es machte mir nichts aus zu helfen, denn ich war gerne bei ihr. Als Kind hatte ich immer heimlich den Küchenschrank durchforstet, um irgendwelche Schätze zu finden, die sie extra für mich versteckt hatte. Mal waren es Life Savers oder Pop Rocks, dann wieder Oreos oder Peanut Butter Cups. Großmutter selbst war süchtig nach Süßem
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