Dark Moon
sage, aber ich wünsche dir viel Glück.«
Jack brachte uns noch bis zur Tür. Ohne Rücksicht auf Mark zu nehmen, gab er mir einen Abschiedskuss. »Viel Glück«, sagte er.
»Danke«, wisperte ich beklommen. »Dürfen wir deinen Wagen nehmen?«
Er sah mich belustigt an und kramte dann den Autoschlüssel aus seiner Hosentasche. »Bringt ihn heil zurück.«
Kann man zwei Menschen gleichzeitig liebe n – mit der gleichen Zuneigung und Hingabe, obwohl man weiß, dass die Liebe zu dem einen die Gefühle des anderen tief verletzt? Mark und Jack waren so verschieden wie Tag und Nacht, doch jeder von ihnen hatte etwas, was ihn für mich unwiderstehlich machte. Bei Mark war es das Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit, an Jack liebte ich, dass er ganz für den Augenblick lebte. Was würde geschehen, wenn ich mich entschloss, bei ihm zu bleiben? Jack würde immer jung und schön sein, während ich altern und schließlich irgendwann sterben würde.
All diese Gedanken hatten heute Nacht eine neue Dimension bekommen. Mein Blut war etwas Besonderes. Wenn ein Vampir davon trank, verwandelte er sich wieder in einen Menschen zurück. Für Mark oder andere unfreie Vampire war diese Rückverwandlung ein Segen. Jack und Derek hingegen verloren mehr, als sie gewannen. Und dennoch wäre Jack der Aufforderung, mein Blut zu trinken, ohne zu zögern gefolgt. Das bedeutete: Er liebte mich wirklich und war zum Äußersten berei t – auch dazu, sterblich zu werden. Ein Schauder ergriff mich bei diesem Gedanken.
Während wir schweigend in den Sonnenaufgang fuhren, konzentrierte sich Mark auf die Straße und sagte kein Wort. Nur ab und zu warf er mir einen liebevollen Blick zu, den ich befangen erwiderte. Ich war mir sicher, dass er genau wusste, was in mir vorging. Wir waren schon so lange zusammen, dass ich kaum etwas vor ihm verbergen konnte.
Kapitel
F ür jemanden, der eine Weile von der Bildfläche verschwinden wollte, war Alder Creek das perfekte Versteck. In einer halben Stunde war man in Downtown Vancouver, man hatte die Wälder des Mount Seymour im Rücken und die Strait of Georgia vor der Haustür, von der aus man sich mit Boot oder Wasserflugzeug absetzen konnte.
Der Ort bestand zu meiner Überraschung nur aus etwa zwanzig Häusern mit eigenem Anleger. Mark stellte den Wagen vor der ersten Einfahrt an den Straßenrand.
»Dort unten ist es«, sagte er und deutete in Richtung Seeufer.
Ich schickte eine SMS an Grandma, damit sie wusste, wo ich war. Sie würde toben, weil ich ohne Hank oder einen anderen Wächter hierhergefahren war, das wusste ich jetzt schon. Aber ich wollte einfach, dass Mark Gelegenheit bekam, seine Schöpferin selbst zu töten.
Wir nutzten den schmalen Streifen Wald zwischen Straße und See als Deckung und schlichen uns zu dem weißen Sommerhaus, das friedlich am Ufer lag. Die Garage stand offen, sie war leer.
Geduckt schlichen wir zur rückwärtigen Tür. Ich rüttelte an der Klinke, aber es war abgeschlossen.
»Da ist ein offenes Kellerfenster«, flüsterte Mark. Mein Puls begann zu rasen. Wenn wir durch die schmale Öffnung kletterten, würden wir uns direkt ins Herz der Finsternis begeben. Wenn Keren Demahigan irgendwo ihren Tagschlaf hielt, dann dort unten.
Mark hangelte sich zuerst durch die schmale Öffnung und half dann mir herein. Ein abgestandener Geruch lag in der Luft. Dreckige Wäsche stapelte sich vor einer rostigen Waschmaschine. In der Ecke gegenüber der Kellertreppe stand ein alter Heizungsbrenner. Mark bückte sich nach einem schmutzigen Bettlaken und faltete es auf. Die Flecken waren schon lange getrocknet, das Blut war schwarz und hatte das Leinen hart und steif werden lassen. Mark ließ es fallen und schaute sich weiter um. Aber der Keller, der nur aus diesem einen Raum bestand, war ansonsten leer.
Ich musste an den Dachkoffer denken. »Vielleicht liegt sie in der Garage.«
Mark schüttelte den Kopf. »Dann hätten wir sie gesehen.« Er stieg die Treppe hoch und gab mir ein Zeichen, dass die Luft rein war.
Staubflocken tanzten im Sonnenlicht, das durch die Spalten der Jalousie fiel. Es roch muffig. Hier hatte schon lange niemand mehr gelüftet. Über einem Kamin, in dem sich Altpapier stapelte, hing das ausgestopfte Prachtexemplar eines Lachses. Die alten Bücher in den durchgebogenen Regalen hatten ausgeblichene Rücken. Der braune Teppich war fadenscheinig geworden. Auch die Küche sah heruntergekommen aus. Schmutziges Geschirr türmte sich in der Spüle. Über dem
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