Dark one 06 - Ein Vampir kommt selten allein-neu-ok-08.12.11
antwortete Karl und sah mich verwirrt an. „Warum?“
Ich griff an das Revers seines Mantels, und genau wie bei
meinem ersten Test spürte ich keinen Widerstand und meine Hand fuhr einfach
durch ihn hindurch. „Ich sage es Ihnen nur äußerst ungern, aber ich glaube
nicht, dass Ihr Schiff es bis nach Kanada geschafft hat. Mir drängt sich der
Verdacht auf, dass es möglicherweise vor der isländischen Küste gesunken ist
und Sie ...
nun ja, dass Sie Geister sind.“
„Karl!“, jammerte Marta und klammerte sich wieder an ihren
Mann. „Sie ist nicht die Richtige. Sie ist eine Ilargi!“
„Pssst!“, machte ich und spähte abermals über das
Brückengeländer, um nachzusehen, ob Mattias zurückgekommen war, doch die Straße
war zum Glück leer. „Ich bin total verwirrt und sonst gar nichts!“
„Keine Panik, mein Schatz“, sagte Karl und tätschelte seiner
Frau beruhigend die Hand. „Sie ist eine Schnitterin, keine Ilargi. Wir müssen
sie nur noch davon überzeugen, dass wir ihrer Hilfe würdig sind.“
„Oh, davon müssen Sie mich nicht überzeugen! Sie sind ein
sehr nettes Paar, und ich sage Ihnen äußerst ungern, dass Sie .. äh .. in
puncto Lebendigkeit ein wenig benachteiligt sind. Und ich würde Ihnen helfen,
wenn ich könnte, aber ich glaube wirklich nicht, dass ich diejenige bin, nach
der Sie suchen.“
„Sie werden uns nicht den Weg zeigen?“, fragte Karl und sah
seine Frau beklommen von der Seite an.
Marta bedachte mich mit einem herzerweichenden, flehenden
Blick. „Sie werden uns doch nicht den anderen überlassen?“
„Ich weiß nicht, von wem Sie reden, aber passen Sie auf, wir
werden Folgendes tun: Sie erklären mir ganz genau, wohin Sie wollen, und ich
finde heraus, wie Sie dorthin kommen, okay?“
„Aber .. Sie wissen doch, wohin wir müssen“, sagte Marta und
ihr Blick wanderte unruhig zwischen ihrem Mann und mir hin und her. Sie wirkte
verkrampft, als drohe sie jeden Moment vor Anspannung zu zerreißen.
„Schon gut, ich werde herausfinden, wohin Sie müssen, und
dann sorge ich dafür, dass Sie auch dort ankommen“, sagte ich und bemühte mich,
ruhig und zuversichtlich zu klingen. „Sind Sie die ganze Zeit in der Stadt
herumgelaufen?“
Die beiden starrten mich schweigend an.
„Lassen Sie es mich anders formulieren: Was ist das Letzte,
an das Sie sich erinnern?“, fragte ich.
„Wir waren auf dem Schiff“, antwortete Karl. ^»Ja, das habe
ich verstanden.
Aber was ist mit dem Schiff passiert?“
Die beiden sahen sich an.
„Ich begreife das alles nicht“, sagte Karl. „Wir waren auf
dem Schiff. Die alte Dame sagte, wir sollen nach Ihnen suchen, und wir haben
Sie gefunden.“
Die beiden geisterten offensichtlich seit ihrem
traumatischen Todeserlebnis orientierungslos umher - wortwörtlich wie auch im
übertragenen Sinne - und hatten keinerlei Erinnerung an den Übergang vom Leben
zum Tod.
Ich musste mich schon darüber wundern, wie schnell ich mich
an die Vorstellung gewöhnt hatte, dass es Geister und ein Leben nach dem Tod
gab, doch andererseits stand der Beweis dafür ja nun auch direkt vor mir und
sah mich hoffnungsvoll an. „Okay, lassen wir das erst mal auf sich beruhen.
Möchten Sie nicht in das Cafe am Marktplatz gehen, während
ich mich kundig mache? Ich komme dann zu Ihnen, sobald ich herausgefunden habe,
wohin Sie müssen.“
„Cafe?“, fragte Marta.
Ich erklärte ihnen den Weg und wiederholte noch einmal, dass
ich sie später dort treffen würde. „Ich muss erst noch ein paar Dinge regeln“,
sagte ich und richtete mich langsam auf, nachdem ich mich vergewissert hatte,
dass Mattias nirgends zu sehen war. „Aber dann versuche ich, so schnell ich
kann, jemanden zu finden, der weiß, was hier los ist. Einverstanden?“
„Und wenn jemand von den anderen kommt? Von den Ilargi?“,
fragte Karl besorgt. „Die rauben uns unsere Seelen!“
„Das ist nicht gut.“ Ich verzog nachdenklich das Gesicht. „Ah
.. Wie wäre es mit weglaufen?“
Dieser Vorschlag schien die beiden zufriedenzustellen, denn
sie nickten und bedankten sich bei mir, dann schwebten sie die Straße hinunter
und verschwanden in der Dunkelheit. Zu meinem Erstaunen verwandelte sich der
leuchtende Mond an meinem Handgelenk in dem Moment, als sie außer Sichtweite
waren, wieder in einen Mondstein.
„Das ist doch wirklich zu merkwürdig“, sagte ich zu dem
Lesezeichen. „Und ich werde es wohl auch nicht so schnell begreifen. Jetzt muss
ich mir erst mal das Mattias-Problem vom
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