Dark one 06 - Ein Vampir kommt selten allein-neu-ok-08.12.11
wieder gezeigt hatte. Wenn ich sie zu
belügen versuchte, würden sie es ohnehin merken und mich möglicherweise so
lange in die Zange nehmen, bis die Wahrheit ans Licht kam. Und dann würden sie
sich garantiert fragen, warum ich es für nötig hielt, ihnen etwas so Harmloses
wie eine Nacht mit einem Mann zu verschweigen.
„Du hast natürlich recht“, sagte ich und atmete tief durch.
Um auf Nummer sicher zu gehen, beschloss ich, die Wahrheit mit ein paar
Ausschmückungen zu garnieren. „Ich komme aus einer Kleinstadt, wo die Leute
noch sehr altmodische Moralvorstellungen haben, und ich habe nicht daran
gedacht, dass die Skandinavier in solchen Dingen lockerer sind. Ich habe
deshalb so tief geschlafen, weil ich bis in die frühen Morgenstunden mit einem
Mann zusammen war. Als ich aufwachte, war er weg, und auf diese für mich wenig
schmeichelhafte Tatsache wollte ich eigentlich nicht zu sprechen kommen.“
„Mit einem Mann?“, fuhr Mattias stirnrunzelnd auf. „Du bist meine Zorya und hast mit einem anderen Mann geschlafen? Wer ist er?“
„Sein Name tut ja nun nichts zur Sache!“, entgegnete ich und
schlug einen überheblichen Ton an. „Er hat Anniki nicht umgebracht.“
„Du kennst diesen Mann schon länger?“, fragte Frederic.
Ich lachte verlegen. „Jetzt zwingst du mich, meine Sünden zu
offenbaren. Ich habe ihn erst gestern Abend kennengelernt.“
„Wenn du ihn gerade erst kennengelernt hast, woher weißt du
dann, dass er die Zorya nicht getötet hat?“, fragte Kristjana und sah von ihren
Notizen auf.
Gute Frage.
„Ich pflege nicht mit Mördern ins Bett zu steigen!“,
erwiderte ich mit gespielter Empörung.
„Du weißt also nicht genau, ob er sie getötet hat oder
nicht.“
„Ich weiß auch nicht genau, ob sich nicht vielleicht jemand
von euch in mein Zimmer geschlichen und Anniki erstochen hat, und trotzdem
würde ich euch niemals so etwas unterstellen“, entgegnete ich.
„Ich wüsste gern mehr über diesen Mann“, sagte Mattias. „Ist
es ein Tourist?
Ein Amerikaner?“
„Ich glaube, er ist Tourist“, antwortete ich, doch zu sehr
ins Detail gehen wollte ich nicht. „Aber kein Amerikaner. Er hat einen leichten
deutschen Akzent.“
„Ein Deutscher. Tz!“, sagte Mattias entrüstet.
„Und wie hast du ihn kennengelernt?“, fragte Frederic.
„Jetzt pass mal auf, ich habe bisher alle Fragen
beantwortet, ganz egal, wie peinlich sie mir waren, aber verhören lasse ich
mich nicht!“, erwiderte ich mit einem raschen Blick in Magdas Richtung. Sie
lobte meinen Ausbruch mit einem verstohlenen Daumen-hoch-Zeichen. „Die näheren
Umstände meines Rendezvous gehen euch überhaupt nichts an! Ich habe euch
gesagt, er hat Anniki nicht umgebracht. Er war bis zum frühen Morgen bei mir,
und dann ist er gegangen. Mehr weiß ich nicht.“
Frederic schwieg eine Weile, bevor er sich erhob, ans
Fenster ging und den blassgoldenen Vorhang zur Seite schob, um nach draußen zu
schauen. Es war spät geworden, und ich spürte allmählich sehr deutlich, dass
ich einen langen, anstrengenden Tag ohne Essen hinter mir hatte. „Du scheinst
die volle Bedeutung des Mordes an der letzten Zorya nicht zu erfassen, Pia. Sie
war ein untadeliges Mitglied der Bruderschaft und hatte unseres Wissens keine
Feinde - bis auf einen. Du weißt von den Dunklen, nicht wahr?“
„Von was für Dunklen?“, fragte Magda verwirrt.
Als ich merkte, wie sich meine Finger fest um die Armlehnen
meines Stuhls schlossen, gab ich mir Mühe, mich zu entspannen. „Anniki hat mich
ins Bild gesetzt.“
„Was für Dunkle?“, fragte Magda abermals.
Die drei Bruderschaftsmitglieder sahen mich erwartungsvoll
an.
„Das sind die Vampire, von denen ich dir erzählt habe“,
entgegnete ich und wählte meine Worte mit Bedacht. „Zwischen ihnen und der
Bruderschaft gibt es seit Langem gewisse Animositäten.“
„Gewisse Animositäten?“ Kristjana schnaubte und stach
aufgebracht mit ihrem Stift in das Schreibpapier. „Das ist eine irreführende
Untertreibung! Es ist unser Ziel, die Welt von dem Bösen zu befreien, das die
Dunklen verkörpern!“
„Oh, diese Vampire. Verstehe“, sagte Magda
nachdenklich und nickte. „Sie räumen sie auf die Buffy-Tour aus dem Weg, nicht
wahr?“
„Auf die Buffy-Tour?“ Frederic sah sie verwirrt an.
„Das ist eine Anspielung auf eine amerikanische Fernsehserie“,
erklärte Kristjana.
„Ach, Buffy! Jetzt erinnere ich mich. Aber was Sie da sehen,
ist alles andere als realistisch,
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