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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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auf.
    »Ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll, wenn sie so drauf ist«, sagte sie, eine perfekte Imitation von Patty. »Sie ist zu viel für mich. Das ist alles zu viel für mich.«
    Patty holte tief Luft, überlegte, ob sie vernünftig mit Michelle reden oder sie unter Druck setzen sollte, aber Libby heulte immer lauter, ein brüllendes Tier, das ichwillmitkommenichwillmitkommen kreischte. Michelle zog vielsagend eine Augenbraue hoch, und Patty stellte sich vor, wie ein Cop hier auftauchte, solange sie nicht da war, und ein Kind mit verbranntem Gesicht vorfand, das brüllend und völlig untröstlich auf dem Boden lag. Sollte sie alle drei Mädchen mitnehmen? Aber jemand sollte doch da sein, falls jemand kam, um ans Telefon zu gehen, und es war doch sicher besser, wenn Michelle und Debby zusammenblieben, als wenn …
    »Libby, zieh deine Stiefel an«, unterbrach Dianes Kommando ihre Gedanken. »Michelle, du hast die Verantwortung. Geh ans Telefon, aber nicht an die Tür. Wenn es Ben ist, hat er ja einen Schlüssel, wenn es jemand anderes ist, müsst ihr zwei euch deswegen keine Sorgen machen. Michelle?«
    »Was ist eigentlich los?«
    »Michelle, ich mach jetzt keine Witze. Michelle?«
    »Okay.«
    »Okay«, sagte auch Diane, und das war buchstäblich das letzte Wort.
    Nutzlos stand Patty in der Diele herum und sah zu, wie Libby ihre Stiefel und ein paar schmutzverkrustete Handschuhe anzog. Dann nahm Patty ihre dreckige wollene Hand und ging mit ihr zum Auto. Vielleicht war es ja ganz gut, wenn die Leute daran erinnert wurden, dass Ben eine kleine Schwester hatte, die ihn liebte.
    Libby machte nicht gern viele Worte – Michelle und Debby belegten ja alle zur Verfügung stehenden mit Beschlag. Sie gab lieber knappe Erklärungen ab: Ich mag Ponys. Ich hasse Spaghetti. Ich hasse dich. Wie ihre Mutter hatte sie kein Pokerface. Und kein Pokertemperament. Man merkte ihr alles an. Wenn sie nicht wütend oder traurig war, sagte sie einfach nicht viel. Jetzt saß sie angeschnallt auf der Rückbank, ganz still, das rosa fleckige Gesicht zum Fenster gewandt, einen Finger an der Scheibe, mit dem sie die Baumkronen draußen nachmalte.
    Auch Patty und Diane sprachen nicht, selbst das Radio blieb stumm. Patty versuchte, sich den Besuch vorzustellen (Besuch? Konnte man etwas so Widerwärtiges wirklich als Besuch bezeichnen?), aber vor ihrem inneren Auge erschien nur ein einziges Bild, nämlich wie sie »Lasst meinen Sohn in Frieden!« kreischte. Sie war nie mit Maggie Hinkel befreundet gewesen, aber sie unterhielten sich immer ein bisschen, wenn sie sich im Supermarkt trafen, und die Putches kannte sie aus der Kirche. Das waren alles keine unfreundlichen Menschen, sie würden nicht gemein zu ihr sein. Von den Eltern des ersten Mädchens, dieser Krissi Cates, wusste sie nichts, aber sie stellte sich die Familie blond und adrett vor, alles passte zusammen, das Haus war makellos und roch nach Potpourri.
    Diane lotste sie vom Highway in das Wohnviertel, an einem großen blauen Schild vorbei, auf dem die Modellwohneinheiten in Elkwood Park angepriesen wurden. Bisher sah man davon nur hölzerne Skelette, einen Block nach dem anderen, und durch die eine Haussilhouette hindurch sah man die nächste und die übernächste. Im ersten Stock eines solchen Skeletthauses saß ein junges Mädchen im Teenageralter und rauchte. Wie sie da in den Umrissen eines Schlafzimmers hockte, musste Patty unwillkürlich an Wonder Woman in ihrem unsichtbaren Flugzeug denken. Als das Mädchen die Zigarette abklopfte, rieselte die Asche hinunter ins Esszimmer.
    All die Häuser im Skelettstadium nervten Patty. Zwar erkannte man, was hier einmal entstehen sollte, aber alles war so fremd – wie ein ganz alltägliches Wort, an das man sich plötzlich ums Verrecken nicht mehr erinnern konnte.
    »Hübsch, was?«, sagte Diane und wedelte mit der Hand.
    Noch zwei Ecken, dann waren sie angekommen, ein Block ordentlicher Häuser, richtiger Häuser, vor einem davon eine Ansammlung geparkter Autos.
    »Sieht aus wie eine Party«, schniefte Diane, ließ das Fenster herunter und spuckte hinaus.
    Ein paar Sekunden war es still im Auto, abgesehen von Dianes Räuspern.
    »Wir stehen das zusammen durch«, sagte Diane dann. »Keine Sorge, mehr als dich anschreien können sie nicht.«
    »Vielleicht solltest du lieber mit Libby im Auto warten«, meinte Patty. »Ich möchte nicht, dass sie das Geschrei mitkriegt.«
    »Nein, nein«, widersprach Diane. »Niemand bleibt im Auto.

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